Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
mitgebracht, um in einen Palast ziehen zu können, aber er wusste noch nicht genau, was er in Zukunft von dem Geld noch brauchen würde, also ließ er es ruhig angehen.
Aber seine Mutter war ihm zunehmend lästig geworden. Enttäuscht über die hohen Erwartungen, die der Junge nicht mehr erfüllte, hatte sie zunächst allem und jedem, der Schule, dem fehlenden Vater, der Gesellschaft, seinen Freunden und schließlich Volkmar selbst die Schuld an seinem Versagen gegeben.
Auch in seiner neuen Bleibe war er nicht sicher vor ihr gewesen. Nach einigen Wochen und hundert unbeantworteten Telefonanrufen hatte sie eines Tages plötzlich vor seiner Tür gestanden. Der Text, den sie runtergeleiert hatte, hätte aus einer Seifenoper stammen können. Mit einer Mischung aus Interesse und Verachtung hatte er sie angeblickt. Das waren diese Exemplare von Menschen, die es nicht überleben würden. Sie bestanden nur aus Phrasen und Scheiße, lebten ihr austauschbares Leben und starben, ohne auch nur einmal das Glück wirklicher Existenz, wirklicher Macht genossen zu haben. Diese Frau hatte tatsächlich geglaubt, dass sie noch seine Mutter war. Sie ahnte nicht, dass er eine eigene Wahl getroffen hatte. Wusste sie nicht, das Mutterschaft nichts mehr bedeutete seit selbst Jesus seine Mutter verleugnet hatte? Dieser Jesus, ansonsten ein totaler Versager, hatte es gewusst. Sie stammten von Göttern ab. Und er selbst, Volkmar Hendrich , würde sich seine verlorenen Rechte wiederholen. Aber was erwartete er von dieser Frau? Wie sie waren die meisten Menschen gefangen in den zwei- oder drei Dutzend Ansichten, die sie sich im Laufe ihres armseligen Lebens bildeten. Nichts brachte sie auch nur einen Zoll über den einmal gewonnenen Horizont hinaus. Er konnte es nicht mehr ertragen. Diese Welt verdiente es, vernichtet zu werden.
"Halt die Schnauze ," hatte er zu ihr gesagt und die Tür geschlossen.
Aber das nächste Mal hatte sie einen Mann mitgebracht, den er nicht gekannt hatte. Der Typ hatte ausgesehen wie einer dieser Sozialarbeiter, schulterlanges Haar, verkniffen wohlmeinendes Gesicht, schäbige Schuhe, selber mehr Probleme am Arsch als er je würde bei seinen Klienten lösen können.
Die Alte wurde nicht nur lästig, langsam wurde sie ihm auch gefährlich, jetzt brachte sie schon Verstärkung mit. Er konnte sich keinen ungebetenen Besuch leisten. Er war gerade dabei, sich ein Labor einzurichten. Die ein oder andere Substanz in seiner Küche hätte die Polizei interessiert.
Der Mann hatte etwas gequengelt von Lösungen, die sich immer fänden, von seiner Mutter, die es nur gut mit ihm meine.
Der übliche Scheiß.
Eckhardt hatte sich das Gesicht des Typen gemerkt. Es war nicht mehr die Zeit, in der er Zeugen gebrauchen könnte. Er musste anfangen, vorsichtig zu sein.
Nach einer Weile waren die Beiden gegangen.
Er erinnerte sich noch heute daran, dass die Angelegenheit mit dem Sozialarbeiter ein Kinderspiel gewesen war. Er hatte vor dem Sozialamt gewartet, bis der Mann zur Arbeit erschienen war, hatte sich seine Autonummer aufgeschrieben und eine alte Bekannte im Strassenverkehrsamt aktiviert, die ihm noch etwas schuldig war.
Es gab immer jemanden, der einem noch was schuldig war.
Der Mann lebte mit seiner Frau, zwei kleinen Kindern und Hund am Rande der Stadt in einer Reihenhaussiedlung mit Vorgärten und Hecken, deren Beschnitt genauso geradlinig war wie die Lebensläufe der Bewohner.
Volkmar hatte gewartet, bis es Nacht geworden war, dann war er in das Haus eingebrochen.
Es war wirklich keine große Sache gewesen.
Der Hund, ein schöner, goldbrauner Jagdhund, leckte ihm die Hände bevor er ihm mit einer kleinen, stählernen Axt, die er sich am Morgen aus einem Baumarkt besorgt hatte, den Schädel einschlug.
Dann war er hinauf ins Schlafzimmer der Eltern gegangen. Wenn es Geschrei gegeben hätte, dann wäre er hinterher besser mit den Kindern fertig geworden, als wenn er zuerst die Kinder erledigt und sich dann hätte mit den Eltern auseinandersetzen müssen.
Als die Schneide der Axt in den Schädel des Mannes gefahren war, hatte es ein Geräusch gemacht, wie er es vom Holzhacken kannte, nur dass das Gehirn einen leicht schmatzenden Ton erzeugte, als er die Axt wieder hinauszog. Der Mann hatte gerade noch Zeit, seine Augen ein wenig zu öffnen, dann hatte sich schon der Tod in seinen Pupillen abgezeichnet.
Die Frau wurde tatsächlich wach. Fast wie er es erwartete. Und sie schrie kurz, bevor er sich über die Leiche des
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