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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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weißt, dass verlassene Kirchen den Dämon anziehen. Kaum hast du den Ort aufgegeben, zieht das Böse dort ein. Und wer vom Heer ergriffen wird, den holt zwangsläufig der Dämon.«
    »Logisch.«
    »Sieh mal«, sagte er und wies auf seinen Monitor. »Das ist die Karte vom Wald von Alance.«
    »Hier«, sagte Adamsberg und fuhr mit dem Finger eine Linie entlang, »das muss der Weg sein.«
    »Und dort hast du die Kapelle von Saint-Antoine d’Alance. Und ganz entgegengesetzt im Süden einen Kalvarienberg. Das sind Orte, die du aufsuchen kannst. Hab ein Kreuz dabei zu deinem Schutz.«
    »Ich hab einen Bachkiesel in der Tasche.«
    »Der tut’s auch.«

7
    Es war an die sechs Grad kühler in der Normandie, und sobald Adamsberg auf dem nahezu verlassenen Platz des Busbahnhofs stand, reckte er seinen Kopf in den frischen Wind, ließ ihn über seinen Nacken streichen und hinter die Ohren, in einer fast kreatürlichen Bewegung, ein wenig wie ein Pferd, das die Bremsen verscheucht. Er umging Ordebec von Norden her, und eine halbe Stunde später betrat er den Weg von Bonneval, der durch ein altes, handbemaltes hölzernes Schild ausgewiesen war. Der Pfad war schmal, ganz im Gegenteil zu dem, was er gedacht hatte, vermutlich weil die Vorstellung vom Durchzug Hunderter bewaffneter Männer das Bild eines breiten und beeindruckenden Reitweges heraufbeschworen hatte, der unter einem geschlossenen Dom hoher Buchen verläuft. Der Weg war indes sehr viel bescheidener, er bestand aus zwei durch eine grasbewachsene Erhebung getrennten Wagenspuren und war gesäumt von Entwässerungsgräben, die von Brombeersträuchern, von Ulmenschösslingen und Haselnusspflänzchen überwuchert waren. Viele der Beeren waren schon reif – durch die ungewöhnliche Hitze lange vor der Zeit –, und Adamsberg pflückte sie im Vorübergehen. Er lief langsam, streifte mit seinem Blick das Unterholz, aß ohne Eile die Beeren, die er in der Hand hielt. Eine Menge Fliegen umschwirrten sein Gesicht, um den Schweiß davon aufzusaugen.
    Alle drei Minuten blieb er stehen, um seinen Brombeervorrat zu erneuern, wobei er sich sein altes schwarzes Hemd an den Dornen zerriss. Auf halbem Wege blieb er plötzlich stehen, weil er sich erinnerte, dass er Zerk keine Nachrichthinterlassen hatte. Er war so sehr an sein Alleinsein gewöhnt, dass es ihn Mühe kostete, andere über seine Abwesenheiten zu informieren. Er gab Zerks Nummer ein.
    »Hellebaud hat sich auf die Füße gestellt«, verkündete ihm der junge Mann. »Seine Körner hat er ganz allein gefressen. Allerdings hat er hinterher auf den Tisch geschissen.«
    »So ist das nun mal, wenn das Leben zurückkehrt. Leg solange ein Stück Plastikfolie auf den Tisch. Das findest du auf dem Dachboden. Ich komme erst heute Abend zurück, Zerk, ich bin auf dem Weg von Bonneval.«
    »Und, siehst du sie?«
    »Nein, dazu ist es noch zu hell. Ich seh mich um, ob ich nicht die Leiche des Jägers finde. Hier ist kein Mensch in den letzten drei Wochen langgegangen, alles ist voller Brombeeren, sie sind dieses Jahr schon früher reif. Wenn Violette anruft, sag ihr nicht, wo ich bin, sie würde das nicht mögen.«
    »Klar«, erwiderte Zerk – und Adamsberg sagte sich, dass sein Sohn schlauer war, als es den Anschein hatte. So trug er Krümel für Krümel ein wenig Wissen über ihn zusammen.
    »Ich habe die Birne in der Küche ausgewechselt«, fügte Zerk hinzu. »Die auf der Treppe brennt auch nicht. Soll ich da auch eine neue reinschrauben?«
    »Ja, aber kein zu helles Licht. Ich mag es nicht, wenn man alles sieht.«
    »Wenn du auf das Heer triffst, ruf mich an.«
    »Ich glaube nicht, Zerk, dass ich das kann. Sein Durchzug dürfte den Empfang stören. Der Aufeinanderprall zweier verschiedener Zeiten.«
    »Ja, sicher«, sagte der junge Mann zustimmend, bevor er auflegte.
    Adamsberg ging noch achthundert Meter weiter, immer mit dem Blick ins Unterholz. Denn Herbier war tot, da war er sicher, und das war der einzige Punkt, in dem er mit der kleinen Frau Vendermot übereinstimmte, die davonfliegenwürde, wenn man sie anpustete. Und er stellte fest, dass er schon wieder vergessen hatte, wie die Samenkörnchen des Löwenzahns hießen.
    Da war eine Gestalt auf dem Weg, Adamsberg kniff die Augen zusammen und ging langsamer weiter. Eine sehr lange Gestalt, die auf einem Baumstamm saß, sie war so alt und zusammengekrümmt, dass er fürchtete, ihr Angst einzujagen.
    »Hello«, sagte die alte Frau, als sie ihn kommen sah.
    »Hello«, antwortete

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