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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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hatte er alle Zeit, die fünf Kilometer des Weges von Bonneval abzulaufen. Hätte ein Mörder die Psychose dieser Lina ausnutzen wollen, dann konnte er vielleicht dort eineLeiche abgelegt haben. Aber dieses Ausbüxen in den Wald war nicht mehr nur eine unausgesprochene Verpflichtung gegenüber der kleinen Frau, die er meinte erfüllen zu müssen, es war auch eine heilsame Flucht. Er stellte sich den Geruch des Waldweges vor, seine Schatten, das Bett aus weichen Blättern unter seinen Füßen. Er hätte irgendeinen seiner Brigadiers hinschicken oder sogar Capitaine Émeri überreden können, ihn abzugehen. Aber die Vorstellung, ihn selbst zu erkunden, hatte sich ihm im Laufe des Vormittags sanft aufgedrängt, eine Erklärung hatte er nicht, nur das dunkle Gefühl, dass ein paar Einwohner von Ordebec eine ziemlich schwere Zeit durchmachten. Er klappte sein Mobiltelefon zu und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den beiden Lieutenants zu.
    »Bleibt an dem alten Mann dran, der da verbrannt ist. Bei dem Ruf, den Momo in dieser Gegend des 5. Arrondissements genießt, ist es leicht, ihm einen Mord anzuhängen, indem man seine Methoden nachahmt, die nicht sehr kompliziert sind. Benzin und eine kurze Zündschnur sind alles, was der Mörder braucht. Er lässt den Mann im Wagen warten, kommt im Dunkeln zurück und legt Feuer. Findet heraus, wer der Mann war, ob er gut sah, ob er gut hörte. Und sucht mir den, der den Wagen fuhr und bei dem der Alte sich in Sicherheit wähnte. Das dürfte nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen.«
    »Momos Alibi stellen wir trotzdem fest?«
    »Ja. Aber schickt die Benzinrückstände zur Analyse, Oktanzahl und so weiter. Momo benutzt Mofa-Treibstoff, der ist stark mit Öl vermischt. Überprüft die Zusammensetzung, sie steht in der Akte. Sucht heute Nachmittag nicht nach mir«, fügte er hinzu und stand auf, »ich bin bis zum Abend unterwegs.«
    Wohin?, fragte stumm der Blick des hageren Justin.
    »Ich will ein paar alte Reiter im Wald treffen. Dauert nicht lange. Sagt in der Brigade Bescheid. Wo ist Danglard?«
    »Beim Kaffeeautomaten«, sagte Justin und deutete mit dem Finger in die obere Etage. »Er hat den Kater zu seinem Napf getragen, er war heute dran.«
    »Und Veyrenc?«
    »Am entgegengesetztesten Ende des Gebäudes«, sagte Noël mit hässlichem Grinsen.
    Adamsberg fand Veyrenc, an die Wand gelehnt, in dem vom großen Gemeinschaftssaal am weitesten entfernten Büro.
    »Ich bin dabei, mich einzuarbeiten«, sagte er und wies auf einen Stapel Akten. »Ich schau mir gerade an, woran ihr in meiner Abwesenheit so gebastelt habt. Der Kater ist dicker geworden, finde ich, und Danglard auch. Es geht ihm besser.«
    »Wieso soll er nicht dicker werden? Er hängt den ganzen Tag auf dem Fotokopiergerät herum, möglichst nahe bei Retancourt.«
    »Du sprichst von dem Kater. Und wenn man ihn nicht mehr zu seinem Fressnapf trüge, würde er sich vielleicht mal entschließen zu laufen.«
    »Haben wir schon versucht, Louis. Dann hat er nichts mehr gefressen, und wir haben den Versuch nach vier Tagen abgebrochen. Er läuft übrigens sehr gut. Sobald Retancourt weggeht, kann er sehr wohl von seinem Sockel heruntersteigen, um sich auf ihren Stuhl zu setzen. Und was Danglard angeht, er hat während des Kongresses in London eine neue Freundin gefunden.«
    »Also darum. Aber als er mich heute Morgen traf, schien es, als kräusele sich sein ganzes Wesen vor Unmut. Hast du ihn über dieses Heer befragt?«
    »Ja. Sehr alt.«
    »In der Tat«, bestätigte Veyrenc lächelnd. »
In alten Furchen verborgen, tote Geschichten ruhen./Weck sie nicht auf, heb nicht den Deckel der Truhen, /Der sie verschlossen hält

    »Mach ich auch nicht, ich werde nur mal über den Weg von Bonneval spazieren.«
    »Ist das ein Grimweld?«
    »Der von Ordebec.«
    »Weiß Danglard von deinem kleinen Ausflug?« Veyrenc hämmerte in die Tastatur seines Rechners.
    »Ja, und er hat sich vor Unmut gekräuselt. Er hat mir zwar mit dem größten Vergnügen die Geschichte von dem Heer erzählt, aber es gefällt ihm gar nicht, dass ich ihr nachspüre.«
    »Hat er dir von den ›Ergriffenen‹ erzählt?«
    »Ja.«
    »Dann solltest du wissen, falls es das ist, was du suchst, dass die Leichen der Ergriffenen nur äußerst selten auf einem Grimweld zurückgelassen werden. Man findet sie einfach bei sich zu Hause oder auf einer abgelegenen Lichtung oder in einem Brunnenschacht oder auch in der Nähe einer nicht mehr benutzten Kultstätte. Denn du

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