Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
diesem Jahr wiedergekommen ist, weiß ich nicht. Man wird’s wohl nie erfahren.«
    »Sind die Gendarmen schon vor Ort? Haben Sie es ihnen gemeldet?«
    »Wie sollte ich denn? Ich muss auf meinen Hund warten.Aber wenn Sie’s so eilig haben, brauchen Sie doch nur selbst bei denen anzurufen.«
    »Ich glaube, das ist keine so gute Idee«, sagte Adamsberg nach einem Augenblick. »Die Gendarmen mögen es nicht, wenn die Jungs aus Paris sich in ihre Angelegenheiten einmischen.«
    »Und warum sind Sie dann hier?«
    »Weil eine Frau von hier bei mir war. Also bin ich mal vorbeigekommen.«
    »Die Mutter Vendermot. Sie hat ganz sicher Angst um ihre Kinder. Wie sie ebenso sicher besser geschwiegen hätte. Aber diese Geschichte beunruhigt sie dermaßen, dass sie nicht anders konnte, als Hilfe zu holen.«
    Ein großer gelbbrauner Hund mit langen Schlappohren brach plötzlich bellend aus dem Gebüsch und legte seinen Kopf auf die langen, mageren Beine seiner Herrin, die Augen geschlossen wie zum Zeichen der Dankbarkeit.
    »Hello, Flem«, sagte sie und wischte sich die Nase, während der Hund seine eigene Schnauze an ihrem grauen Rock abwischte. »Sehen Sie, wie zufrieden er ausschaut.«
    Léo zog ein Stück Zucker aus ihrer Tasche und steckte es in die Hundeschnauze. Dann begann Flem aufgeregt vor Neugier Adamsberg zu umkreisen.
    »Ist ja gut, Flem« sagte Adamsberg und klopfte ihm den Hals.
    »Sein richtiger Name ist Flemmard. Er war ein Faulenzer von klein auf. Es gibt immer Leute, die sagen, außer überall rumbumsen kann er nichts anderes. Und ich sage, das ist immer noch besser, als alle Leute zu beißen.«
    Die alte Frau stand auf, klappte ihr ganzes gebeugtes Gestell auseinander und stützte sich auf ihre beiden Stöcke.
    »Wenn Sie nach Hause gehen, um die Gendarmen anzurufen«, fragte Adamsberg, »haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie begleite?«
    »Im Gegenteil, ich bin gern in Gesellschaft. Aber ich laufenicht sehr schnell. Wenn wir die Abkürzung durch den Wald nehmen, sind wir in einer halben Stunde da. Früher, zu Lebzeiten von Ernest, hatte ich den Hof zu einer Herberge gemacht. Wir boten Übernachtung und Frühstück. Zu der Zeit, ja, da waren immer Leute um uns herum, junge vor allem. Es ging fröhlich zu, ein ständiges Kommen und Gehen. Vor zwölf Jahren hab ich dann aufhören müssen, und jetzt ist es sehr viel eintöniger. Wenn ich also Gesellschaft finde, sage ich nicht nein. Keinen zum Reden zu haben ist nicht gut.«
    »Es heißt, die Normannen reden nicht gern«, wagte Adamsberg sich vor, während er hinter der Frau herlief, die einen leichten Geruch von Holzfeuer verströmte.
    »Nicht, dass sie nicht gern redeten, sie antworten nicht gern. Das ist nicht dasselbe.«
    »Was macht man also, wenn man eine Frage stellen will?«
    »Man weiß sich zu helfen. Kommen Sie mit mir bis zur Herberge? Der Hund hat nämlich jetzt Hunger.«
    »Ich begleite Sie. Um wie viel Uhr geht der Abendzug?«
    »Der Abendzug, junger Mann, ist schon vor einer guten Viertelstunde durch. Zwar gibt es noch den von Lisieux, aber der letzte Bus dahin fährt in zehn Minuten, und den kriegen Sie auf keinen Fall.«
    Adamsberg hatte nicht geplant, über Nacht in der Normandie zu bleiben, er hatte nichts weiter bei sich als etwas Geld, seinen Ausweis und seine Schlüssel. Das Wütende Heer nagelte ihn auf der Stelle fest. Die Alte kümmerte das nicht, mit flinken Bewegungen schlüpfte sie zwischen den Bäumen hindurch, immer auf ihre Stöcke gestützt. Man hätte meinen können, eine Heuschrecke, die in Sprüngen über die Wurzeln setzte.
    »Es gibt doch vielleicht ein Hotel in Ordebec.«
    »Das ist kein Hotel, das ist ein Kaninchenstall«, versicherte die Alte mit ihrer kräftigen Stimme. »Aber es wird renoviert. Sie haben ja sicher Bekannte, bei denen Sie schlafen können, nehme ich an.«
    Adamsberg erinnerte sich, wie zögernd die Normannen direkte Fragen stellten, was ihm schon in dem Dorf Haroncourt 1 Schwierigkeiten bereitet hatte. Wie Léone umgingen die Männer in Haroncourt das Hindernis, indem sie eine Tatsache, welche auch immer, behaupteten, um eine Antwort herauszufordern.
    »Sie werden irgendwo übernachten, nehme ich an«, hakte Léone noch einmal nach. »Weiter, Flem. Er muss immer an alle Bäume pinkeln.«
    »Genau so einen Nachbarn hab ich«, sagte Adamsberg und dachte an Lucio. »Nein, ich kenne niemanden hier.«
    »Sie können natürlich im Heu schlafen. Im Augenblick haben wir eine ungewöhnliche Hitzewelle, aber trotzdem

Weitere Kostenlose Bücher