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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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diesmal gab’s erheblichen Schaden. Der Wagen ist komplett ausgebrannt, wie gewöhnlich, aber drin saß einer und schlief. Nach den ersten Analysen soll es sich um einen alten Menschen handeln. Fahrlässige Tötung, da wird er diesmal nicht mit sechs Monaten davonkommen. Sie haben die Ermittlungen aufgenommen, aber sie erwarten, wie soll ich sagen, Ihre Orientierung.«
    Retancourt hatte das Wort »Orientierung« mit einer Spur von Ironie hervorgehoben. Denn einerseits war sie der Ansicht, dass Adamsberg eine solche nicht hatte, andererseits missbilligte sie generell die Art und Weise, wie der Kommissar sich in der Hektik der Ermittlungen bewegte. Dieser Konflikt über die Vorgehensweise bestand in latenter Form seit den Anfängen, ohne dass sie oder Adamsberg irgendetwas unternommen hätten, ihn zu lösen. Was Adamsberg nicht daran hinderte, für Retancourt jene instinktive Verehrung zu empfinden, die ein Heide für den größten Baum im Wald hegen würde. Den einzigen, der wirklich eine Zuflucht bietet.
    Der Kommissar setzte sich zu Justin und Noël an den Rechner, die gerade die letzten Angaben über das ausgebrannte Auto mit dem Mann darin speicherten. Momomèche-courte hatte damit sein elftes Fahrzeug abgefackelt.
    »Wir haben Mercadet und Lamarre vor dem Wohnblock in der Cité des Buttes zurückgelassen, wo Momo wohnt«, erläuterte Noël. »Der Wagen hat im 5. Arrondissement gebrannt, Rue Henri-Barbusse. Es handelt sich, wie gewöhnlich, um einen teuren Mercedes.«
    »Der Mann, der dabei umgekommen ist, weiß man, wer das war?«
    »Noch nicht. Es ist nichts von seinen Papieren und auch nichts vom Nummernschild übriggeblieben. Die Jungs setzen auf den Motor. Attentat auf die Großbourgeoisie, das ist die Handschrift von Momo-mèche-courte. Er hat nie außerhalb dieses Viertels gezündelt.«
    »Nein«, sagte Adamsberg und schüttelte den Kopf. »Das war nicht Momo. Wir verlieren nur unsere Zeit.«
    Zeit-Verlieren an sich störte Adamsberg nicht. Unempfindlich für das Brennen der Ungeduld, folgte er dem häufig hektischen Rhythmus seiner Mitarbeiter durchaus nicht im gleichen Maße, ebenso wenig wie seine Mitarbeiter sich auf sein langsames Dümpeln einzulassen verstanden. Adamsberg hatte zwar keine Methode daraus gemacht, noch weniger eine Theorie, aber was die Zeit anging, so schien ihm, dass sich in den fast unbeweglichen Intervallen einer Ermittlung mitunter die seltensten Perlen fanden. So wie die kleinen Muscheln fern von der Dünung auf hoher See in schmale Felsspalten hineinrutschen. Dort jedenfalls hatte er sie immer gefunden.
    »Das ist absolut seine Handschrift«, beharrte Noël. »Der alte Mann in dem Wagen schien wohl auf jemanden gewartet zu haben. Es war dunkel, er kann eingeschlafen und dabei möglicherweise zusammengesackt sein. Im besten Fall hat Momo-mèche-courte ihn nicht gesehen. Im schlimmstenFall hat er beide abgefackelt. Den Wagen und seinen Insassen.«
    »Nicht Momo.«
    Adamsberg sah das Gesicht des jungen Mannes deutlich vor sich, ein eigensinniges, intelligentes Gesicht, sehr fein geschnitten unter einer Masse lockiger schwarzer Haare. Er hätte nicht sagen können, warum er Momo nicht vergessen hatte, ja warum er ihn irgendwie mochte. Während er noch seinen Mitarbeitern zuhörte, erkundigte er sich telefonisch nach Zügen, die am selben Tag nach Ordebec fuhren, sein Auto war zur Reparatur. Die kleine Frau ließ sich nicht blicken, und der Kommissar vermutete, dass sie nach ihrer missglückten Mission am Tage zuvor in die Normandie zurückgekehrt war. Die Unwissenheit des Kommissars über das Wütende Heer hatte ihren restlichen Mut auch noch versiegen lassen. Denn den braucht es wohl, wenn man einem Bullen von einer Truppe tausendjähriger Dämonen erzählen will.
    »Kommissar, er hat bereits zehn Autos in Brand gesteckt, er hat sich einen Kriegsnamen gemacht. Man bewundert ihn in der Cité. Es reizt ihn, noch weiter aufzusteigen. Von den Mercedes-Wagen, seinen Feinden, bis zu den Leuten, die sie fahren, ist für ihn nur ein Schritt.«
    »Ein Riesenschritt, Noël, und den wird er nie tun. Ich habe ihn während seiner zwei vorausgehenden Haftzeiten kennengelernt. Momo würde niemals ein Auto anzünden, ohne sich den Wagen vorher angesehen zu haben.«
     
    Ordebec hatte keinen Bahnhof, man musste in Cérenay aussteigen und einen Bus nehmen. Er würde erst gegen fünf Uhr am Ziel sein, eine ziemlich aufwendige Expedition für einen kurzen Spaziergang. Aber bei dem sommerlichen Licht

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