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Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Titel: Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexia Casale
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Liebling.«
    »Das alte System war doch vollkommen in Ordnung «, sagt Amy mit einer von Zorn und Tränen erstickten Stimme, und ich sehe Tränen in ihren Augen. »Es war genau richtig …«
    »Aber es hat dir immer wieder Sorgen gemacht, Liebling«, sagt Paul und will sie berühren. Sie weicht ihm wieder aus und greift nach ihrem Medaillon, steht abweisend da, eine Hand vor dem Oberkörper. Ihre Wangen sehen seltsam aus, sie sind rot und weiß gefleckt.
    »Ich mache mir natürlich weiter Sorgen«, stößt Amy hervor. »Aber jetzt kann ich nichts mehr dagegen tun. Ich fand es beruhigend, diese blöden Rauchmelder zu prüfen, weil ich so das Gefühl hatte, auf euch aufzupassen. Du hättest mich fragen müssen. Warum hast du über meinen Kopf hinweg alles ändern lassen?«
    Paul atmet so schwer ein, als würde er versuchen, unter Wasser Luft zu holen. »Amy«, sagt er leise. »Amy, Liebste, uns passiert schon nichts. Wir rufen die Techniker Montag an und klären alles. Wir werden sie so lange mit Fragen löchern, bis du beruhigt bist.« Er hält ihren Blick, während er ganz behutsam eine Hand auf ihre Schulter legt. Sie erbebt von Kopf bis Fuß, als wäre seine Hand so eisig, dass die Kälte sogar durch ihre Strickjacke dringt. »Und wir bringen das Auto in die Werkstatt, um Luftdruck, Ölstand und Kühlwasser prüfen zu lassen, alles, was uns einfällt«, fährt Paul fort, indem er sich Amy wie in Zeitlupe nähert und sie dann zu sich heranzieht. »Außerdem drehen wir eine Runde um das Haus und schauen nach, ob mit den Strom- und Wasseranschlüssen alles stimmt.«
    Ich sehe, wie Amy langsam die Arme hebt und ihre geballten Fäuste gegen Pauls Rücken drückt. Ihr Gesicht liegt so dicht an seinem Hals, dass nur ihre Wange zu sehen ist, auf der sich immer noch rote Flecken abzeichnen.
    »Wir müssen die Regenrinne reparieren«, stößt Amy hervor. »Die Rinne über Evies Zimmer. Ob Regen oder nicht, ich sehe immer Wasser und Dreck im Hof darunter.«
    Paul küsst Amy auf den Kopf. »Ja, das machen wir, Liebste. Ich hole Ben zu Hilfe, damit er die Leiter hält. Alles wird gut, Amy. Wir sind so sicher wie in Abrahams Schoß. Wir wissen ja, dass du alles tust, damit uns nichts passiert. Nicht wahr, Evie?«
    Ich zucke zusammen. Das Thema Regenrinne hatte mich abgelenkt – mir wurde schlagartig bewusst, dass ich meine Schuhe nicht mehr vor dem Fenster abbürsten darf. Und ich hatte auch gerade eine Idee für eine Alternative: Ich muss eine Rolle Haushaltspapier stibitzen. Das wäre eine prima Übergangslösung, und Amy würde es nicht merken. Und beim nächsten Einkauf im Supermarkt besorge ich dann Feuchttücher. Und wenn ich die schmutzigen Tücher nicht einfach so in den Mülleimer werfe, sondern zuvor in eine Tüte stecke, wäre alles in Butter. Ich beglückwünsche mich gerade zu dieser genialen Idee, als Pauls Stimme mich aus meinen Gedanken reißt.
    So ein Mist. Wenn Paul und Amy sich streiten, warte ich meist, bis sie mich vergessen haben, und verschwinde dann heimlich, still und leise. Aber nun ist es zu spät – Paul dreht sich nach mir um, zieht eine Hand von Amys Rücken und hält sie mir hin. Ich starre ihn etwas zu lange an, so lange, bis wieder Verletztheit und Traurigkeit in seine Augen treten. Er zieht seinen Arm zurück, legt ihn um Amy. Das ist gemein von mir, denn Paul und Amy haben von Anfang an wunderbar für mich gesorgt.
    Ich unterdrücke einen Seufzer beim Aufstehen und gehe um den Tisch, nehme die beiden behutsam und vorsichtig in die Arme. Als ich in der Hoffnung zu Paul aufsehe, dass er nicht mehr so verletzt dreinschaut, merke ich, dass seine Augen ganz rot sind. Gleichzeitig wirkt er glücklich. Und stolz. Also verstärke ich meinen Griff an seinem Hemd und an Amys Strickjacke, wobei ich den Kopf gegen ihre Schulter lehne. Ich schaue Paul in die Augen und lächele so lange, bis er mein Lächeln erwidert. Er gibt mir einen Kuss auf den Kopf, und als er sich wieder aufrichtet, sieht er nicht mehr so aus, als müsste er gleich weinen.
    Sonny Rawlins’ erster Schultag nach seinem Verweis. Ich rechne damit, dass er mich bei jeder Gelegenheit wütend anglotzt, aber nichts da: Er hält den Kopf gesenkt und weicht meinem Blick aus, sein Mund ist ein mürrischer Strich. Ich bin sowohl verblüfft als auch erfreut, vor allem, weil nur noch über ihn geredet wird – kein Wort mehr über mich oder darüber, dass alles meine eigene Schuld ist, weil ich angeblich zu verwöhnt bin und immer im

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