Die Nacht Hat Viele Augen -1-
zu klauen. Das war doch idiotisch. Es gab wichtigere Dinge, um die er sich kümmern musste. Er hatte eine schöne Frau genagelt, ihre Gefühle verletzt und sie dann verärgert. Na und? Diese Abfolge von Ereignissen war für ihn völlig normal.
Aber hier ging es um Raine, seine heiße Märchenprinzessin.
Die hässlichen Worte, die er zuletzt gesagt hatte, gingen ihm wieder durch den Kopf, während er durch das Unterholz schlich. Sie hatte seinen Schutzwall durchbrochen, und damit hatte er nicht gerechnet. Er konnte es sich nicht leisten, vor einer von Lazars Frauen entblößt und verwundbar zu erscheinen. Sein Instinkt hatte ihm gesagt, dass er sie wegstoßen musste, so schnell und so hart er konnte.
Er kehrte zurück in seine Wohnung und ließ die Audiodaten durch den Prozessor laufen. Die Stimmerkennungssoftware würde eine Weile brauchen, bis sie die Frequenzen von Lazars oder Novaks Stimme herausgefiltert hatte. Er und die McClouds hatten praktisch nicht zu ortende Wanzen im Telefon von Lazars Stadthaus platziert, wodurch sie das Problem der digital verschlüsselten Telefonleitungen umgingen, aber bisher war ihm der gleiche Trick auf Stone Island noch nicht gelungen. Telefongespräche von dort blieben somit ein unbekannter Faktor und bildeten eine offene Flanke in seiner Lauschaktion. Und das machte ihn ziemlich nervös.
Oh Gott. Er konnte einfach nicht in diesem engen, stickigen Raum herumsitzen und nur dabei zusehen, wie Daten verarbeitet wurden. Er musste hinaus in die kalte, glitzernde Nacht. Er war unglaublich angespannt und aggressiv. Nach zwei atemberaubenden Orgasmen hätte er eigentlich ein wenig ruhiger sein müssen, aber er war aufgedrehter als jemals zuvor. Er lief zum Chevy und fuhr los, raste durch die Straßen, während ihm alles Mögliche durch den Kopf ging. Zusammenhanglos und unkontrolliert, Bilder, Gefühle, Feuer und Rauch.
Er musste an Connor McClouds Worte denken, als er die Abfahrt sah, die zur Templeton Street führte. Man kriegt diesen komischen Gesichtsausdruck, wie du ihn jetzt hast, dann verbockt man alles und stirbt einen ganz erbärmlichen Tod.
Seth jagte weiter durch die Straßen, bis er schließlich einen Block entfernt von Raines Haus den Wagen abstellte. Er fragte sich, ob die Ereignisse dieses Nachmittags und all der Schwachsinn, den er heute Nacht noch anstellen würde, offiziell unter die Kategorie »verbocken« fallen würden.
Er rutschte in seinem Sitz nach unten, bis sein Gesicht völlig im Schatten lag, starrte hinüber zu ihrem Haus und kam zu dem Schluss, dass es ohne Frage so war. Man musste ihn sich doch nur mal ansehen, er lauerte in der Dunkelheit wie ein Stalker. Zumindest würde ihn um diese Uhrzeit niemand bemerken und die Polizei rufen. Denn das wäre noch die Krönung aller Demütigungen.
Von seinem Beobachtungsposten aus hatte er sowohl den Vorder- als auch den Hintereingang im Blick, und er konnte sehen, ob im Wohnzimmer, im Schlafzimmer oder im Badezimmer das Licht an- oder ausging. Aus dieser Entfernung konnte er dank Kearns Genie einfach den Empfänger einschalten, den er in das Armaturenbrett des Chevy eingebaut hatte, und jede ihrer Bewegungen auf seinem Laptop verfolgen. Dafür brauchte er nicht einmal eine Telefonleitung.
Besser noch, er konnte auch die Alarmanlage ausstellen, alle drei Schlösser öffnen und einfach ins Haus gehen. Es machte ihn wütend, wie verwundbar sie war. Was eigentlich keinen Sinn ergab, da ihr Mangel an Abwehrmöglichkeiten nur zu seinem Vorteil war. Heute Nacht ergab nichts einen Sinn.
Er sah das mögliche Szenario vor seinem geistigen Auge. Zuerst würde sie wütend sein, aber er würde betteln und vor ihr kriechen, bis sie sich erweichen ließ. Er wusste genau, wie er sie anmachen konnte. Da er schon einmal ihren Schutzwall durchbrochen hatte, war es ihm jetzt ein Leichtes, es wieder zu tun. Er wusste, wie er ihre Wachsamkeit untergraben konnte, genauso wie er ihre Alarmanlage ausschalten und die Schlösser öffnen konnte. Er hatte einen sehr ausgeprägten Instinkt, wenn es um Sex ging, und der hatte ihn noch nie im Stich gelassen – zumindest nicht, wenn er gerade mitten dabei war.
Danach … das war eine andere Geschichte. Aber darüber wollte er sich jetzt keine Gedanken machen. Einen Schritt nach dem anderen.
Zuerst ein paar charmante Worte, dann ein paar Küsse und Streicheleinheiten, bis Raine sich beruhigt hatte und anfangen würde, sich an ihn zu klammern, süß und vertrauensvoll. Er würde sie
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