Die Nacht Hat Viele Augen -1-
schlagartig zum Leben erwecken.«
Er stand da und betrachtete sie abwartend. Wartete darauf, dass sie den nächsten Schritt tat. Er wagte es nicht, sich viel weiter aus dem Fenster zu lehnen als sie.
Also gut. Wenn das alles war, was er zu bieten hatte, dann würde sie ihn bis zum bitteren Ende leiden lassen.
»Ich möchte dir ein Angebot machen«, sagte sie. »Ein geschäftliches Angebot.«
Seine Augen wurden schmal. »Raus damit.«
»Ich möchte deine Firma engagieren, damit sie sich um die Sicherheit von Lazar Import und Export kümmert. Allerdings nur in Teilzeit.«
»In Teilzeit?« Er runzelte die Stirn.
»Damit du genug Zeit für deinen richtigen Job hast. Als Liebessklave in Vollzeit.«
Er blinzelte, dann wandte er mit einem unterdrückten Lachen den Kopf ab.
»Ungefähr so, wie du es nach Victors Party vorgeschlagen hast«, fuhr sie fort. »Ein ahnungsloser, muskelbepackter Hengst wird auf meine geheime Insel verschleppt, um mir jeden Wunsch zu erfüllen. Wir haben noch gar nicht alle Varianten dieses Szenarios durchgespielt. Wir sind von der Piratenkönigin und ihrem unersättlichen Hunger nach Sex abgelenkt worden. Und von anderen Dingen. Mord, Rache, Verrat und ich weiß nicht was.«
Sie wartete, um zu sehen, ob er den Spott in ihrer Stimme überhören … oder ob er ihn aufnehmen würde.
»Interessant«, sagte er langsam.
»Ich dachte mir, dass du das sagen würdest«, erklärte sie.
»Ich habe ein Gegenangebot. Ich beschreibe dir mal den Job, den ich wirklich gern haben möchte.«
Vor lauter Frust schnürte es Raine die Kehle zu. Wenn er auf diesem Level weitermachte, war es an ihr, sie beide eine Stufe weiterzubringen. Wie immer.
Seth sah hinunter auf seine Füße. Sie beobachtete, wie sein Adamsapfel zweimal auf und ab hüpfte. Dann sah er ihr in die Augen, mit dem Blick eines Mannes, der sich einem Erschießungskommando stellte. »Liebhaber in Vollzeit«, sagte er heiser. »Vater deiner Kinder. Begleiter durch jedes Abenteuer, Held, Wächter, Beschützer, Gefährte, Partner und Freund. Die Liebe deines Lebens. Für immer.«
Tränen brannten in ihren Augen. Ihr Herz pochte gegen ihre schmerzenden Rippen, und ihre Kehle bebte. »Oh. Aber ich fürchte … die Klausel mit dem Liebessklaven ist nicht verhandelbar«, flüsterte sie.
»Gut. Ich werde dein Liebessklave sein, dein Weißer Ritter, dein Seefahrer. Ich werde auch dein Froschkönig sein, ich werde alles sein, was du möchtest. Sag mir nur, dass du mich immer noch willst. Sag es mir schnell, Raine. Es bringt mich sonst um.«
Endlich verstand sie den Trick mit dem Zauberbann. Man musste gemeinsam daran arbeiten. Sie wurde zu ihm hingezogen wie an einem Seil, bis sie ihn umschlang und ihr Gesicht gegen seine Brust presste.
»Gott, ja, ich will dich. Und ich brauche dich. Ich habe dich so vermisst«, sagte sie.
Er strich ihr so zart über den Rücken, als wäre sie aus Glas, und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar.
»Ich dich auch«, sagte er rau. »Es tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen. Es war mir peinlich. Wie dämlich von mir. Und … wegen meines Angebots. Ist das ganz offiziell? Kann ich mich entspannen? Sind wir uns einig?«
Sie hob ihr tränenüberströmtes Gesicht und sah ihm fragend in die Augen. »Bist du dir sicher?«
»Ich liebe dich. Warum sollte ich mir nicht sicher sein?«
Sie wandte ihren Blick hinaus aufs Wasser zu der Stelle, wo der weiße Schmetterling versunken war, wo Victors Asche sich mit ihm vermischt hatte. »Weil ich bin, wer ich bin. Ich werde meiner Herkunft nie den Rücken kehren. Ich bin eine Lazar, Seth.«
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände. »Ich liebe dich so, wie du bist«, sagte er und gab ihr kleine zärtliche Küsse auf ihre Stirn, die Wangen, die Lippen. »Ich möchte das ewig feiern, dich beschützen und vergöttern. Das, was du bist, ist einfach wunderschön, Raine. Auf der ganzen Welt gibt es niemanden wie dich.«
Die Welt erhellte und öffnete sich weit, als sie in seine Augen sah. Die letzten Strahlen der Abendsonne glitzerten auf dem Wasser. Ein Steinadler kreiste über ihren Köpfen. Dann noch einer – ein Paar. Es war ein weiterer Moment der Anmut und der Gnade. Das Leben hielt mehr solcher Momente bereit, als sie gedacht hatte. Und den Rest ihres Lebens würden sie damit verbringen, diese Momente zusammen zu erleben und zu genießen.
Seths Augen waren voller Liebe und vorsichtiger Hoffnung. Als er ihr Gesicht zärtlich in seine großen Hände nahm, zitterten sie
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