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Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Titel: Die Nacht Hat Viele Augen -1- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Mckenna
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an seiner Zigarette, dann drückte er sie schnell aus. »Ich liebe es, mit welcher Überzeugung ihr jungen Leute das Wort niemals gebraucht.«
    Sie ballte die Fäuste bei seinem herablassenden Ton. »Es ist sehr spät, ich muss Sie jetzt bitten zu gehen. Auf der Stelle.«
    Ihre Stimme kippte und ließ sie nicht besonders überzeugend klingen. Sie hielt den Atem an und hoffte einfach, dass er sie feuern würde. Dann wäre sie erst einmal aus dem Schneider … zumindest bis der Traum von dem Grabstein erneut beginnen würde, sie in den Wahnsinn zu treiben.
    Doch wenn das wieder geschah, wüsste sie nicht mehr, was sie dagegen unternehmen sollte.
    Victor stand auf und nahm seinen Mantel aus dem Garderobenschrank.
    Es hatte funktioniert. Er ging. Ein geradezu schwindelerregendes Triumphgefühl durchflutete sie, und sie beschloss, ihr Glück auf die Probe zu stellen. »Und, Mr Lazar …?«
    »Ja?« Er hielt inne, die Augenbrauen gehoben.
    »Ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie sich in meinen privaten Räumen nicht wie zu Hause fühlen würden. Ich möchte der einzige Mensch sein, der einen Schlüssel zu diesem Haus hat.« Auffordernd streckte sie die flache Hand aus.
    Seine Augen glitzerten amüsiert. »Lassen Sie mich Ihnen einen Rat geben, Raine. Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit und Energie an die Illusion, in irgendeiner Weise die Kontrolle zu besitzen. Sie würden sich nur verausgaben.«
    Sie hielt die Hand weiter ausgestreckt. »Es ist meine Illusion, und ich halte daran fest.«
    Victor lachte leise. Er zog den Schlüssel aus der Tasche seines Mantels und hielt ihn ihr hin.
    Mit spitzen Fingern pflückte sie ihn aus seiner Handfläche und schrie auf, als sich seine Finger wie eine zuschnappende Falle um ihre Hand schlossen.
    Erinnerungen an Träume, in denen Victors schwerer Arm ihr die Luft aus den Lungen presste, stürmten auf sie ein. Sie zog an ihrer Hand und versuchte nicht in Panik zu geraten. Plötzlich hörte sie Seths Stimme in ihrem Kopf. Am Ende geht es immer nur um Macht, mein Engel. Und wenn du das bisher noch nicht wusstest, wird es Zeit, dass du es lernst. Sie wiederholte im Stillen diese harten Worte, als könnten sie ihr das Leben retten. Vielleicht hatte Seth recht. Das waren die Regeln in dieser albtraumhaften Welt. Sie musste mit ihnen fertigwerden.
    Das Rauschen in ihren Ohren verebbte, und sie konnte wieder klarer sehen. Ihre gefangene Hand schmerzte immer noch, aber es war erträglich.
    Ohne zu blinzeln, sah sie ihm in die Augen. »Gute Nacht, Victor.«
    Zu ihrer Überraschung ließ er sie los und nickte in einer Weise, die fast wie Zustimmung wirkte. »Exzellent«, sagte er sanft. »Gute Nacht, Raine.«
    Mit einem dumpfen Laut fiel die Tür hinter ihm ins Schloss, und sie stürmte hinterher, um den Riegel vorzulegen. Dann rutschte sie an der mit Schnitzereien verzierten Mahagonitür herab, bis sie zusammengesunken am Boden saß und nur noch haltlos schluchzte. Siebzehn Jahre, in denen sie immer nur »Nein, danke, es geht mir gut« gesagt hatte, bis es ein reiner Automatismus geworden war, und dann genügte ein Tag wie heute, um ihr zu zeigen, wie dumm und vergeblich all ihre Bemühungen gewesen waren.
    Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit und Energie an die Illusion, in irgendeiner Weise die Kontrolle zu besitzen , hatte Victor gesagt. Am Ende dreht sich alles nur um Macht, mein Engel, hörte sie Seth. Die spöttischen Stimmen hallten durch ihren Kopf, während ihr die erbarmungslose Realität deutlich wurde. Sie hatte keine Macht, keine Kontrolle, keine Illusionen. Sie befand sich in einem reißenden Fluss und ging schnell unter. Sie hatte nichts unter Kontrolle – nicht ihren Kopf, nicht ihr Herz, nicht ihre Träume, nicht mal ihren eigenen Körper. Das hatte Seth ihr heute Nachmittag deutlich gezeigt, skrupellos und wieder und wieder.
    Allmählich verklangen ihre Schluchzer, und eine betäubende Stille breitete sich aus. Sie presste das Gesicht gegen ihre Knie und begann zu beten. Sie wusste nicht, zu wem. Sie war sich nicht sicher, ob es einen Gott gab, aber sie glaubte an die gegensätzlichen Kräfte von Gut und Böse. Vielleicht hatte sie keine Macht oder Kontrolle oder überhaupt einen Plan, aber sie war auf der Suche nach der Wahrheit, um ihres Vaters willen.
    Sie war aus Liebe hier. Das musste doch auch etwas zählen. In jedem Fall war das alles, was sie hatte, und sie klammerte sich mit aller Macht daran.
    Die Sicherheitsvorkehrungen in Lazars Stadthaus waren entscheidend

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