Die Nacht im Stau (German Edition)
Sonja aber Roberts Stimme hörte und diese ihr signalisierte wie schlecht es ihm ging, tat er ihr leid. So rau klang sie, so völlig niedergeschlagen. Sie konnte ihn einfach nicht wieder nach Hause schicken! Immerhin war er ja ihr Verlobter. Vielleicht würde es ihm helfen, sie zu sehen. Mit ein paar Worten konnte sie ihm eventuell das Gefühl vermitteln, sie bräuchte wirklich nur eine kleine Denkpause von zwei oder drei Tagen.
Zögerlich drückte sie auf den Türöffner und lauschte auf das Klicken de r Haustüre und auf Roberts Schritte, als er die Treppe zu ihr ins Untergeschoss kam.
„Ich musste dich sehen. Lass uns bitte sprechen “, begrüßte er sie.
„Komm rein.“ Sonja trat einen Schritt zurück und ließ Robert eintreten. Ihr Zimmer lag ebenerdig, aber da das Haus am Hang gebaut war, musste man vom Hauseingang erst einmal nach unten gehen und dort war es immer etwas duster.
Ihr Freund betrat den Raum mit hängenden Schultern und ließ sich auf Sonjas Schlafcouch nieder.
„L ass mich bitte an diesem Wochenende nicht allein“, begann er, kaum dass er saß. „Ich halte das nicht durch. Ich habe schon den heutigen Tag kaum durchgehalten.“
Er habe sich am Morgen krank gemeldet , fuhr er fort. Er könne keinen klaren Gedanken mehr fassen, hätte in der Nacht kein Auge zugemacht. Seine Mutter habe so lange nachgefragt, was los sei, bis er ihr von der Auseinandersetzung erzählt habe. Sie sei sehr besorgt um ihn gewesen, zumal er kaum etwas zu sich nehmen konnte. Sie habe ihn dann getröstet, indem sie sagte, dass es bei fast allen Paaren immer wieder einmal zu einem Streit käme, er solle das nicht allzu ernst nehmen.
Sonja wusste, dass Robert sehr unter der Scheidung seiner Eltern gelitten hatte. Er woll te es in seinem Leben auf jeden Fall besser machen, hatte die feste Absicht, ein Leben lang mit seiner Partnerin zusammen zu bleiben. Ihr Vorschlag zur Trennung musste ihn deshalb ganz besonders getroffen haben.
„Wie wäre es, wenn wir morgen für zwei Tage wegfah ren?“ Robert sah sie bittend an. Seine Augen waren verquollen, das hübsche Blau seiner Iris, das ihr so gut gefiel, war kaum noch zu sehen. „Ich lade dich ein“, fügte er hinzu.
Sonja holte tief Luft und warf den Kopf in den Nacken. Als ob es darum ginge! Er verdiente kaum Geld, denn er stand ja noch in der Ausbildung. Sie als Studentin besaß noch weniger als er, aber das Finanzielle war bisher nie ein Grund zum Streiten gewesen.
Sie stand mit dem Rücken ans Waschbecken gelehnt, in maxi malem Abstand zu ihm und suchte krampfhaft nach einer Erwiderung. Robert hatte den Blick inzwischen wieder gesenkt. Er saß vornüber gebeugt und bearbeitete seine Hände.
Sonja hatte keine Ahnung, wie das Gespräch nun weiter gehen sollte. Es war so eng in dem kleinen Zimmer. Erstmals fühlte sie sich in seiner Nähe unwohl und sie wusste genau warum. Zum einen spürte sie eine leichte Entfremdung zwischen ihnen. Zum anderen war ihr nicht wohl in ihrer Haut. Sie verhielt sich unfair, indem sie ihn belog, aber sie war zu feige ihm knallhart ins Gesicht zu sagen, dass es da einen anderen gab.
Sie wollte nicht sehen müssen, wie er litt. Ihr neues Glück sollte nicht von etwas Negativem überschattet sein. Am besten wäre, wenn er gesagt hätte: ‚Ja, OK. Trennen wir uns‘. Fertig.
Nun sollte sie entscheiden. Einen Schritt machen, der unwiderruflich war, der ihr weiteres Leben in die eine oder andere Bahn lenken würde. Eine Entscheidung dieser Tragweite zu verantworten, fühlte sie sich momentan einfach nicht in der Lage. Noch nicht. Drei Tage später wäre es sicher leichter.
„Ich brauche dieses Wochenende , um für mich zu so etwas wie einer Klärung zu kommen“, sagte sie schließlich. „Wenn du mich so bedrängst wie jetzt, wird es für mich nur schwerer.“ Sie blickte ihn direkt an: „Lass mir doch einfach mal drei Tage Zeit.“
Robert schien einzusehen, dass er sie in diesem Punkt nicht u mstimmen konnte. Er knetete seine Hände. Die Finger der rechten Hand waren, wie nicht anders zu erwarten, wieder ganz gelb. Er hatte an diesem Tag vermutlich schon weit mehr als eine Schachtel geraucht.
„Gut, wenn es gar nicht anders geht.“
Er ließ einen rastlosen Blick über das Mobiliar zu ihr und wieder zurück gleiten. Sonja sah, dass er zitterte. Der arme Kerl war ohnehin schon immer nur Haut und Knochen gewesen. Wenn er nichts aß wie zurzeit, sah er gleich noch schlimmer aus.
Als ob er ihre Gedanken geahnt hätte, sagte
Weitere Kostenlose Bücher