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Die Nacht im Stau (German Edition)

Die Nacht im Stau (German Edition)

Titel: Die Nacht im Stau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Smuda
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nicht mit Robert traf, hatte So nja für sich ein neues Hobby entdeckt. Sie liebte es, Pullover für sich oder für die drei Neffen zu stricken. Sie fand das entspannend und es war außerdem schön, etwas Eigenes zu gestalten. Doch häufig setzte sie sich für den jeweiligen Abend ein Ziel, zum Beispiel, dass sie so lange stricken würde, bis das Vorderteil fertig wäre. Oder sie sagte sich: Den Armausschnitt will ich unbedingt noch beenden. Dann dauerten solche Strickabende oft bis nach Mitternacht, bis Sonja völlig steif vor Anstrengung war und die Schultern schmerzten.
    „Diese exzessive Strickerei ist eine Form sich selbst zu bestrafen“, mahnte die Ärztin, als Sonja ihr beim nächsten Termin die Gründe für ihre verhärtete Muskulatur nannte. „Sie müssen sich ein anderes Hobby zulegen, etwas, das wirklich entspannt.“
    Nur was? Sonja hatte keine Idee. Sie liebte das Stricken, auc h wenn der Rücken danach hart wie Stein war.
    Der letzte Satz, den ihr die Ärztin bei der Verabschiedung mit auf den Weg gegeben hatte, traf Sonja zutiefst. Sie hätte den Eindruck, ihre junge Patientin könne sich anscheinend wenig leiden, hatte sie gesagt.
    Tagelang gärte und rumorte er in Sonja. Die Ärztin hatte zweifelsohne Recht. Im Grunde genommen kannte Sonja sogar die Gründe für diese Selbstablehnung. Kern des Übels war die schlechte Beziehung zwischen ihr und ihrer Mutter. Das ging zurück bis in ihre früheste Kindheit, bis zu ihrem ersten Geburtstag, als die Mutter für zwei Jahre aus ihrem Leben verschwand. Einfach beim Vater zurück gelassen hatte sie die Kleine. Der Riss, der dabei entstanden war, ließ sich nie mehr reparieren, das wusste Sonja.
    Aber jetzt, während des St udiums, hatte sie keine Kraft das Ganze anzugehen. Jetzt ging es nur darum, alle Prüfungen möglichst gut und schnell zu bestehen, um schon bald ganz auf eigenen Füßen stehen zu können. Dieses andere Problem musste warten. Die Streitigkeiten mit Robert, die unsichere Beziehung, das alles belastete ihre Psyche zur Genüge. Da mussten nicht noch andere schlafende Hunde geweckt werden.
    Immerhin tat das Autogene Training gut, das die Ärztin ihr verschrieben hatte. Dieses Sich-fallen-Lassen, das war wirklich enorm erholsam. Sonja genoss es, wenn die Kursleiterin mit leiser Stimme anregte: „Meine Arme werden ganz schwer, ganz schwer sinken sie auf die Matratze.“ Da musste sie schon beinahe aufpassen nicht einzuschlafen. Bei „Ich bleibe ganz ruhig und entspannt“ wanderten ihre Gedanken häufig zu den schönen Dingen, die sie erlebte. Ein solcher Höhepunkt war Roberts Überraschung zu ihrem dreijährigen Kennlernfest.
     
    Wochen zuvor war Sonja beim Aufräumen auf die alte silberfarbene Eidechse gestoßen, die noch aus den Tagen ihrer Kindheit stammte. Das war eine Brosche, nichts besonderes, aus billigem Blech gefertigt, aber das kleine Schmuckstück besaß einen hohen Sentimentalwert, weil es eines der wenigen Erinnerungsstücke an die glückliche Zeit mit ihrem Vater war.
    Ohne weitere Hintergedanken hatte Sonja Robert die alte Eidechse gezeigt und gefragt: „Sag mal, ihr arbeitet doch mit Gold und Silber im Labor. Kannst du diese Brosche nicht eventuell aus Silber nachmachen?“
    „ Hm. Wird nicht ganz einfach sein“, war seine brummige Antwort gewesen und er hatte die Brosche eingesteckt.
    Wochen später – Sonja hatte das Gespräch und die Eidec hse schon längst vergessen – stieß sie einen Schrei der Überraschung aus, als sie zu ihrem dritten Kennlerntag Mitte Dezember das fertige Schmuckstück in einer kleinen Schachtel überreicht bekam.
    „ Oh, Gott, ist die schön!“ Sie drehte und wendete die kleine Meisterleistung aus echtem Silber hin und her und fiel Robert um den Hals. „Wie hast du das nur gemacht? Sie sieht genau so aus wie die alte aus Blech“, staunte sie und bewunderte das funkelnde Tierchen von allen Seiten.
    Er erklär te ihr, dass er als erstes einen Abdruck aus Wachs hergestellt habe. Anschließend habe er tagelang Silberabfälle gesammelt, bis er glaubte, genug zu haben. Dann habe er eines Abends, als alle schon gegangen waren, die Form mit flüssigem Silber ausgegossen.
    „ Zum Glück hat alles hingehauen und niemand hat etwas gemerkt.“ Er grinste. „Danach musste ich nur noch nach einer Anstecknadel suchen und die anlöten, aber das war kein Problem.“
    Sonja war überglücklich! Was war ihr Robbie doch für ein lieber Kerl! Sie würde ihr Glück nie wieder gefährden. Ganz sicher

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