Die Nacht im Stau (German Edition)
geliebt wird. Aber - war sie denn als Kind geliebt worden? Vom Vater ja, aber nach dessen viel zu frühem Tod gab es keine Liebe mehr in ihrem Leben. Wollte sie vielleicht nur haben, was andere auch hatten? Einen Partner, einen Menschen an ihrer Seite, jemanden, der sie liebte? So wie sie vom Vater geliebt worden war? Und was konnte sie demjenigen, der sie liebte, bieten? War sie nicht viel zu unausgeglichen, viel zu unreif, zu fordernd, zu bestimmend? Tiefe Selbstzweifel und Traurigkeit überkamen sie und sie weinte, bis ihr die Augen zufielen.
Am darauf folgenden Montag traf sie Dieter an der PH. Er war unterkühlt und sagte, es sei alles vorbei. Er sei von ihr enttäuscht, weil er absolut davon überzeugt wäre, dass sie am Abend noch zurück zu ihrem Freund gegangen sei. Er könne ihr nicht glauben, dass sie echte Gefühle für ihn habe, er selbst spüre ihr gegenüber keine mehr. Sie könnten aber Freunde bleiben.
In Sonjas Kopf drehte sich alles. Sie schwänzte die Vorlesung, setzte sich im nahen Favouritepark auf eine Bank und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Was war sie doc h für eine blöde Kuh! Sie hatte so einen lieben Verlobten und nun war sie wegen einem ältlichen, arroganten Typ drauf und dran, diese Beziehung zu verlieren.
Sie musste alles Menschenmögliche daran setzen, dass es zwischen ihr und Robert wieder gut werden würde. Er war der Richtige für sie, wie konnte sie nur jemals daran zweifeln. Es würde schon klappen mit ihnen. Sie benötigten vielleicht einfach noch ein bisschen Zeit, Robert vor allem, aber sie konnte warten. Ihre Tränen abwischend schnäuzte Sonja sich ein letztes Mal und machte sich befreit auf den Rückweg zur Hochschule.
Wochen später er fuhr sie, dass Dieter bei vielen anderen Kommilitoninnen auf der gleichen Masche ritt: Er gab sich als der reife ältere Mann aus, der die junge Dame vom ersten Tag an zu lieben vorgab und sie heiraten wollte, der jedoch nach einer einzigen Nacht befand, es sei nun eben doch nicht die wahre Liebe.
Sonja schämte sich. Wie war sie nur so dumm gewesen, so naiv! Sie war auf diesen Mistkerl herein gefallen. Nie würde sie jemandem von dieser peinlichen Geschichte erzählen. So etwas sollte ihr in ihrem Leben kein zweites Mal wieder passieren.
Diese Eskapade lag nun schon zwei Jahre zurück. Danach war es gar nicht so einfach gewesen, mit Robert wieder ins Reine zu kommen.
Zunächst waren sie sehr vorsichtig miteinander umgegangen. Sonja hatte den Eindruck, dass Robert ihr nicht mehr ganz traute, was ja wir klich nicht verwunderlich war.
N ach einiger Zeit aber wurde alles so wie früher. Sie liebten und stritten sich wieder in regelmäßigen Abständen. An einem Tag sprach Robert von Trennung, am nächsten versöhnten sie sich wieder. Von seinen vielen guten Vorsätzen setzte er keinen einzigen in die Realität um. Das einzige, das sich änderte, war, dass er ihr ab und zu Zettelchen schrieb. „Dem liebsten, was ich besitze“ oder „Du bist die Frau meines Lebens.“ Diese kleinen Liebesbeweise taten Sonja unendlich gut. Sie sammelte sie und las sie, wenn mal wieder schlechte Stimmung herrschte. Davon abgesehen begriff sie immer mehr, dass sie Robert nicht ändern konnte. Er konnte einfach nicht über seinen Schatten springen.
D as wichtigste war, dass er sie liebte. Doch was ihre eigene Liebesfähigkeit anging, daran zweifelte sie wie eh und je.
Damals begann ihre Gesundheit unter den andauernden Auseinandersetzungen zu leiden. Sie war inzwischen im vierten Semester, das Studium machte wirklich Spaß, aber manchmal glaubte sie, es nicht mehr zu schaffen. Ihre Nerven lagen blank und die ständigen Magenschmerzen schwächten ihre Konzentration.
Auf drängendes Nachhaken der Ärztin erzählte Sonja ihr von ihren Beziehungsproblemen. Die ältere Dame schlug vor, sie solle sich doch nicht so sehr an Robert binden und sich statt dessen einen größeren Freundeskreis aufbauen. Das war leicht gesagt, dazu fehlte Sonja einfach die Zeit. Während andere Kommilitonen nach den Vorlesungen oft noch lange in der Mensa saßen und sich austauschten, eilte sie nach Hause in ihr Studentenzimmer, beeilte sich mit dem Lernen, damit sie um siebzehn Uhr fertig war und Robert mit dem Auto vom Labor abholen konnte. So wollte er es, so stellten sie sich beide ihre Beziehung vor. Am Abend wollten sie noch Zeit haben zum Spazierengehen, Musik hören oder für einen Kinobesuch. Da blieb keine Zeit für Freunde.
Für die Tage, an denen sie sich
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