Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht im Stau (German Edition)

Die Nacht im Stau (German Edition)

Titel: Die Nacht im Stau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Smuda
Vom Netzwerk:
sucht nach einer Ablagefläche und legt die offene Verpackung mit den Schokostückchen auf der Vorderkonsole ab.
    Wie wunderbar so ein Stück frisches Brot mit Schokolade schmeckt! Erst jetzt merkt Sonja, wie hungrig sie ist.
    Während sie kaut, denkt sie: Absolut surreal, diese Situation. Da steht sie nun mit ihrem Fahrzeug in diesem bescheuerten Stau, neben ihr sitzt ein fremder Mann, und gemeinsam mampfen sie in trauter Eintracht seinen spärlichen Proviant.
    Eine erneute Verkehrsdurchsage durchbricht ihr schweigsames Essen, doch es gibt nichts Neues. Nur dass die Gesamtlänge des Staus sich jetzt auf 50 km erhöht hat.
    „Ich verstehe nicht, warum die Polizei die Leute nicht rechtzeitig von der Autobahn herunter leitet“, regt sich Sonja auf und beschließt, das Essen mit einem letzen Stückchen Schokolade abzuschließen.
    „Ist mir auch ein Rätsel “, entgegnet Sven und öffnet einen Müsliriegel.
    „Glaubst du, dass bald Rettungskräfte zu uns durchkommen? Etwas Heißes zu trinken wäre jetzt wirklich nicht schlecht.“
    „ Die Helfer und die Hilfsgüter müssen ja erst einmal organisiert werden, das dauert. Aber wenn dann die Autofahrer eine Gasse in der Mitte frei machen, geht es ganz schnell.“
    „Für Leute mit Babies und für ältere Leute stelle ich mir das Warten besonders schlimm vor“. Sonja wirft einen Blick an Sven vorbei auf den älteren Mann, der im Auto nebenan sitzt. Er scheint noch immer zu schlafen.
    Sven bemerkt ihren Blick und fragt: „Meinst du, ich sollte ihm etwas von unserem Proviant anbieten?“
    „Versuchs doch mal. Vermutlich freut er sich.“
    Sven zieht den Reißverschluss seiner Jacke zu, nimmt zwei Mandarinen und einen Müsliriegel und steigt aus. Sonja kann das Gespräch mit dem Nachbarn nicht richtig verstehen, aber der Mann scheint sich wirklich zu freuen, und auch Sven lacht und kehrt noch immer lachend ins Auto zurück.
    „Er meinte, wenn es ihm zu langweilig wäre, käme er zu uns und wir könnten eine Ru nde Skat spielen. Ich hab dann gesagt, wir seien gerade noch am Dinieren, etwas später vielleicht.“
    „Meinst du das im Ernst? “ Sonja ist für einen Augenblick echt perplex.
    „Nei n, war nur ein Witz. Magst du?“ Er deutet auf das letzte Stückchen Schokolade, aber Sonja schüttelt den Kopf.
    „Iss du , ich bin erst mal satt.“
    Für einen Augenblick gehen Sonjas Gedanken zurück zu ihrer ersten Liebe und sie sieht sich Nachmittage lang mit ihm und mit seinem Vater beim Kartenspiel.
    „Kannst du denn Skat spielen?“, will sie dann wissen.
    „Ja, aber nicht so gut. Und du?“
    „Ich spiele sehr gerne, kann es aber auch nicht gut“, gibt sie zu.
    Sven schaut schon zum zweiten Mal auf seine Uhr. Irgendetwas scheint ihn zu beschäftigen.
    „Ich habe eine kleine Bitte “, sagt er schließlich. Seine Stimme klingt unsicher.
    „Schieß los.“ Sonja ist gespannt.
    „Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir nachher um zwanzig Uhr das Radio einschalten? Das Mahler Konzert wird in SWR 2 direkt übertragen und so könnte ich wenigsten per Funk zuhören.“
    Während der letzten Sätze kann Sonja Sven länger betrachten, denn er hält ihr die ganze Zeit über sein Gesicht zugewandt. Ihr fällt die längliche Kopfform und die hohe Stirn auf. Beides macht diesen Mann sehr interessant. Er könnte slawische Wurzeln haben, soweit Sonja das beurteilen kann. Seine Haare stehen etwas zerzaust vom Kopf ab, aber das hat vermutlich der Wind draußen angerichtet. Svens Unterlippe ist seltsam dick, vielleicht hatte er einmal einen Unfall. Das Auffälligste an seinem Gesicht sind aber diese ewig lachenden Augen, die unendlich viel Wärme ausstrahlen. So ein Strahlemann kommt nicht von ungefähr, denkt Sonja. Er ist sicher ein geliebtes Kind gewesen, eines, dem man nie eine Bitte abgeschlagen hat. Jetzt wartet er auf ihre Antwort und Sonja beeilt sich zu reagieren.
    „Bevor ich dich mit deiner Wundertüte ziehen lasse und du dich wom öglich woanders einmietest, lass ich mich gerne von dir zu einem Konzertabend einladen, jetzt nach diesem opulenten Dinner“, flachst sie.
    Sven bedankt sich mit seinem schönsten Lächeln.
    „I ch hoffe, es wird dir gefallen. Vielleicht kann ich mich ja irgendwann später wirklich einmal revanchieren.“
    Später einmal, hat er gesagt! Sonja lässt seine Worte in sich einsinken. Was für ein wohliges Gefühl von Wärme verursachen sie in ihrem Inneren! Die beiden Worte könnten bedeuten, dass es vielleicht ein Wiedersehen gibt. Was

Weitere Kostenlose Bücher