Die Nacht im Stau (German Edition)
herausgefunden, was für ein Auto er fährt, aber die Scheiben sind von innen komplett beschlagen. Um überhaupt wieder etwas von der Außenwelt wahrzunehmen, wischt sie die Vorderscheibe frei und lässt den Scheibenwischer kurz laufen.
Der Schnee fall draußen hat nachgelassen, alles ist mit einer dicken weißen Schicht überzogen. Der Schnee auf den Bäumen leuchtet im Licht einiger Autoscheinwerfer. Nicht alle Fahrer haben ihre Beleuchtung ausgeschaltet, so wie sie. Bei den neueren Modellen funktioniert das vermutlich nicht, wenn der Motor läuft.
Sonja schreckt zusammen, als ihr Handy klingelt. Robert. Sie sieht es an der Nummer.
„Hallo, mein Schatz.“ Seine Stimme klingt besorgt. „Wie geht es dir?“
„ Ziemlich bescheuert“, erwidert sie und ist froh, dass Sven gerade das Auto verlassen hat. Schnell fasst sie sich wieder. „Das ist ein absoluter Mist hier.“ Sie hofft, dass ihr Gast noch eine Weile braucht, bis er zurückkehrt. Auf jeden Fall muss sie das Gespräch kurz halten. „Was machen wir jetzt mit dem Wochenende?“
„Ich habe mich bei einem Kumpel per Internet ü ber die Situation erkundigt.“ Roberts Stimme schwankt. Sie klingt, als ob er von weit her anruft. Wahrscheinlich verursachen die Schneefälle atmosphärische Störungen. „Deshalb hat es auch so lange gedauert, bis ich zurück rufe. Ich musste eine Weile herumsuchen. So wie es aussieht, wird die Sperrung bis in die frühen Morgenstunden andauern, erst dann kannst du weiterfahren. Unter diesen Voraussetzungen lohnt es sich nicht ins Elsass zu fahren, denke ich. Ganz davon abgesehen, dass wir nachts sowieso nicht ins Hotel rein kämen. Mein Vorschlag ist, dass ich mit meinem Kumpel nach Stuttgart zurück fahre und wir unser Wochenende verschieben. Was meinst du dazu?“
Ihr Gehirn rattert im Eiltempo und sie erwidert: „Klar, das ist sicher der Beste. Mach dir um mich keine Sorgen. Hier im Auto ist es einigermaßen warm. Ich werd wohl irgendwann versuchen zu schlafen.“ Sie hört hinter sich eine Autotüre zuschlagen und weiß, dass Sven gleich wieder bei ihr ist. Schnell sagt sie: „Der Akku vom Handy ist fast leer. Lass uns lieber SMS schreiben, ja?“
„OK . Sei tapfer. Ich freu mich, wenn ich dich morgen wieder in die Arme schließen kann. Und denk dran: Ich liebe dich!“
„Ich dich auch“, flüstert sie und drückt auf die Aus-Taste, denn in diesem Augenblick klopft Sven an die Scheibe. Ohne auf eine Reaktion Sonjas zu warten, öffnet er die Autotüre.
„Darf ich?“
„Na, klar doch. Der Lebensretter mit der Edeka-Tüte!“
Lachend meint er: „Schau lieber erst mal, was drin ist.“
Sven klopft sich den Schnee von den Schuhen und strahlte sie an.
„Ich kann dir gar n icht sagen, wie dankbar ich bin, dass du mir Asyl gewährst. Draußen ist es wirklich knackig kalt!“ Wie zum Beweis legt er kurz seine Hand auf die ihre. Erschreckt zieht sie sie zurück.
„Puh, eisig .“
Einen Moment lang herrscht Schweigen zwischen ihnen, so als ob sie sich beide erst wieder an die enge Situation im Auto gewöhnen müssen. Sven zieht die Schultern hoch und haucht in seine Hände. Er braucht einige Minuten, bis ihm warm genug ist, die Plastiktüte, die er zwischen seinen Beinen abgestellt hat, auf seinen Schoß hoch zu holen. Eines nach dem anderen nimmt er seine Schätze heraus und zeigt sie Sonja: Eine Tüte Müsli, ein Liter H-Milch, eine Packung Mandarinen, einige Müsliriegel, eine Tafel Schokolade, eine Körnerstange.
„Was ein Junggeselle eben so zum Frühstück braucht.“
Sonjas registriert die Äußerung nicht ohne Freude. Ein so interessanter, gut aussehender Mann – und der ist solo!
Sie atmet tief durch. Was soll’s, d as sollte ihr eigentlich egal sein.
„Aus diesen Zuta ten lässt sich bestimmt auch ein kreatives Dinner ausrichten“, scherzt sie. „Fehlt nur noch der Wein, aber den müssen wir uns eben denken. Ich kann leider nur Tee beisteuern. Ach ja, einige Bonbons habe ich noch als Nachtisch.“
Sie kramt in ihrer Handtasche und fördert eine Handvoll Salbeibonbons zutage.
Sven geht sofort auf ihre gespielte Leichtigkeit ein und fragt wie ein höflicher Butler: „Was darf ich als ersten Gang reichen?“
„Ich glaube mit einer Hälfte deiner Körnerstange und zwei, drei Stückche n Schokolade wäre ich schon sehr zufrieden.“
„Avec plaisir“, grinst Sven, bri cht das knusprige Gebäck in zwei Teile und reicht ihr einen Teil davon. Danach zerteilt er die Schokolade, zögert kurz,
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