Die Nacht, in der er zurueckkehrte
Windeltasche, die prall gefüllt neben der Tür stand. „Ist schon passiert.“
Falls er gehofft hatte, sie würde ihn für seine Voraussicht loben, sah er sich herb enttäuscht. Sie presste die Lippen zusammen und betrachtete ihn mit eiskaltem Blick. „Du kannst es wieder mal kaum erwarten, deine Verantwortung loszuwerden, habe ich recht? Das hast du ja schon immer so gemacht. Alles, was auch nur im Entferntesten nach Verpflichtung aussieht, ist doch für dich ein rotes Tuch.“
Die Attacke verschlug ihm einen Moment lang die Sprache. Als er dann zu einer ebenso heftigen Erwiderung ansetzte, bemerkte er plötzlich die tiefe Verzweiflung hinter ihrer Wut. Er hatte das Gefühl, von diesem Blick in die Tiefe des Windy Lake gezogen zu werden.
Hatte er sich all die Jahre getäuscht? Lag hinter ihrer Verschlossenheit nicht nur Zorn und Bedauern, weil er damals ihre Schwäche ausgenutzt hatte, sondern ein tieferer Schmerz?
Ihm fiel ein, wie oft sie ihn gedrängt hatte, auf die Ranch zurückzukommen, und wie gequält ihr Blick gewesen war, wenn er seine Abreise ankündigte.
Plötzlich begann sein Herz wild zu schlagen. Er starrte Easton an, als wolle er ihre Seele ergründen. Nach der Begegnung im Flur letzte Nacht hatte er sehr unruhig geschlafen. Immer wieder war er aufgewacht und hatte darüber nachgedacht, was sie in den Tagen, seit er hier war, geredet hatten. Wie sie sich geküsst und umarmt hatten.
War es möglich, dass sie tiefere Gefühle für ihn empfand, so wie er für sie?
Sag dem Gegenüber, was es hören will, und beobachte genau seine Reaktion, um die wahren Empfindungen zu erraten. Ein alter Agententrick.
Er stand auf. „Na klar, morgen um diese Zeit aale ich mich schon wieder am Strand, mit einer Señorita im Arm und einem Cocktailglas in der Hand.“
Er hatte einen weiteren Wutausbruch erwartet, doch stattdessen wandte sie sich mit gequältem Ausdruck von ihm ab.
„East …“
Was immer er vielleicht gesagt hätte, vergaß er, als es draußen vor dem Fenster silbern aufblitzte. Unwillkürlich blickte er hin und sah einen Kleinbus vor dem Haus vorfahren.
Er bemerkte, wie Easton kurz erstarrte, bevor sie wieder ihre gewohnte Haltung annahm. „Sieht aus, als wäre sie da.“
„Stimmt.“
Beide blieben sie wie angewurzelt stehen und blickten auf Belle. Selbst als die Türklingel durch das stille Haus schallte, machte keiner von ihnen Anstalten zu öffnen.
Nachdem es zum zweiten Mal geläutet hatte, sagte Easton: „Wahrscheinlich sollten wir aufmachen.“
Plötzlich überkam ihn der Drang, Easton und Belle zu packen und zur Hintertür hinauszuschieben, damit sie in die Berge flüchten konnten, um sich zu verstecken.
Damit sie in Sicherheit wären.
Damit er sie nicht verlieren würde.
Der Moment der Wahrheit traf ihn genauso eiskalt wie immer. Er hatte Verpflichtungen, so hatte er Easton gesagt. In seinem Leben gab es weder Zeit noch Raum für ein Kind, und wenn es noch so süß war und sich noch so tief in sein Herz geschlichen hatte.
Auch nicht für eine Beziehung zu Easton. Selbst wenn er sein gefährliches Spiel aufgab, sie wäre einfach zu schade für ihn. „Ich mache auf.“ Er ging zur Haustür.
Als er öffnete, stand ein plumpes weibliches Pendant seines Freundes John vor ihm, mit strohblondem Haar und den gleichen blauen Augen wie ihre Nichte.
Auf ihren Hüften saß ein Kleinkind, und ihr Bauch sah aus, als sei sie im sechsten Monat schwanger. Zwei ältere Kinder von vielleicht vier oder fünf standen hinter ihr und sahen ihn mit großen Augen an.
„Hi, ich bin Sharon Weaver. Sind Sie Cisco del Norte?“
„Der bin ich.“
Belle war neugierig hinter ihm hergekrochen und quengelte, weil sie auf den Arm genommen werden wollte. Er hob sie hoch, obwohl seine Wunde beim Bücken höllisch wehtat. Easton stand hinter ihm.
„Sharon, darf ich Ihnen Easton Springhill vorstellen, die Besitzerin der Winder Ranch? Und das ist Ihre Nichte Isabella.“
Der argwöhnische Blick der Frau wurde weicher, als sie Belle sah. „Sie hat ja die gleichen Augen wie Johnny.“
Easton trat einen Schritt vor. „Möchtet ihr nicht alle hereinkommen?“ Sie wies den Weg in die Küche. „Kinder, ihr wollt doch bestimmt gern einen Saft trinken und Plätzchen essen. Ich müsste noch ein paar Schokoladenkekse haben.“
Ihre Worte lösten eine freudige Reaktion aus.
„Das wäre sehr nett, vielen Dank“, sagte Sharon Weaver und blickte ihren beiden älteren Kindern erleichtert nach, während sie
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