Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
Vom Netzwerk:
Hirn über den Boden verspritzen. Vielleicht wäre es so besser. Das könnte deine letzte Chance sein, dem zu entkommen, was auf dich wartet, flüsterte die bösartige leise Stimme in ihr. Das wäre möglich, räumte sie ein, aber sie wusste zugleich, dass sie weder tapfer noch verzweifelt genug war, um diesen Ausweg zu suchen. Noch nicht.
    Sie hatten jetzt den Fuß der Treppe erreicht und gingen weiter.
    »Aufwachen, Eure Hoheit, Happa Happa ist da! «, rief Roias irgendwo ein Stück vor ihr. »Ich weiß, es ist noch früh, oder ist das spät für Sie? Aber wenn Sie es jetzt nicht nehmen, kriegen Sie später keines mehr.« Wilkens lachte und beschleunigte seine Schritte, Ardeth neben sich herzerrend.
    Sie hörte das Klappern von Metall auf Metall und dann das lange, protestierende Ächzen einer sich öffnenden rostigen Tür. »Bring sie hier rein«, befahl Roias, und Wilkens stieß sie unvermittelt nach vorne. Sie stolperte und fiel auf die Knie. Sie blieb kauernd auf dem Boden, zu ängstlich, sich zu bewegen. Wilkens’ Hand schloss sich um ihren Arm, dann spürte sie die kalte Klinge eines Messers zwischen ihren Handgelenken. Sie schrie kurz auf, wobei der Knebel das Geräusch barmherzig dämpfte, ehe sie begriff, dass er nur das Seil durchschnitt, mit dem ihre Hände gefesselt waren. Endlich befreit fielen ihre Hände schlaff herunter. Sie konnte ihre Finger kaum spüren.
    »Die Handgelenke gehen nicht, kein ausreichender Blutkreislauf mehr vorhanden. Wir müssen den Arm nehmen«, sagte Wilkens und stieß sie wieder nach vorne. Ardeth fiel auf den Steinboden, ohne den Sturz mit ihren leblosen Händen abbremsen zu können. Hände packten ihr Haar und zerrten sie wieder in die Höhe, stießen sie nach vorn, bis ihr Körper gegen kalte Metallstäbe stieß. Eine Zelle, dachte sie wie aus weiter Ferne. Ich bin in einer Zelle. Oder einem Käfig.
    »Steck den Arm durch die Stangen«, befahl Roias, und sie versuchte, ihren Arm zu heben. Orientierungslos konnte sie die Öffnung zwischen den Gitterstangen nicht finden. Jemand packte ihren Arm und stieß ihn durch. Wilkens hielt sie immer noch an den Haaren fest. »Und jetzt streck den Arm geradeaus. Und beweg ihn nicht, ganz gleich, was passiert.«
    Ardeth nickte, so weit Wilkens’ Griff und die Gitterstäbe, die sich an ihre eine Wange pressten, das zuließen. »So, Euer Hoheit. Jetzt sind Sie dran«, sagte Roias spöttisch. In der plötzlichen Stille, die eintrat, hörte Ardeth das schwache Klirren sich bewegender Ketten und das noch leisere Rascheln von Stoff auf Stein. Das Geräusch näherte sich, und sie versuchte instinktiv, sich davor zurückzuziehen. Wilkens’ Hand rammte ihren Kopf hart gegen die Gitterstäbe, und er zischte ihr eine Warnung ins Ohr.
    Sie streckte ihren zitternden Arm aus und wartete, bemerkte plötzlich, dass sie weinte.
    Etwas wischte über ihr Handgelenk, und sie zuckte zusammen, wollte den Arm wegziehen, aber Wilkens’ Warnung hinderte sie daran. Und dann spürte sie, wie etwas Glattes, Kühles ihre Hand berührte und dann am Arm entlangwanderte, als suche es etwas. Schließlich kam die Kühle in ihrer Armbeuge zum Stillstand. Wärme trat an die Stelle der Kühle, und Ardeth erkannte plötzlich, was sie da berührte: ein Mund. Er saugte einen Augenblick lang an ihrer Haut, eine warme Zunge tastete über ihre pulsierenden Venen.
    Sie mühte sich verzweifelt ab zu begreifen, was hier vor sich ging, was dieses seltsame Ritual mit all dem zu tun hatte, was sie sich nach ihrer Entführung in ihrer Angst ausgemalt hatte. Wilkens’ Griff, der ihr Haar und ihre Schulter festhielt, verstärkte sich plötzlich, und sie hatte nur kurz Zeit, sich zu fragen, warum er das tat, bevor zwei Nadelspitzen des Schmerzes durch ihren Arm schossen. Der Schmerz ließ gleich darauf wieder nach, aber sie konnte dort, wo sie ihn soeben verspürt hatte, unter dem warmen Mund, einen seltsamen Druck verspüren.
    In der hallenden, schwarzen Stille hörte sie ein weiches, fast sinnliches, saugendes Geräusch.
    Fast hätte sie aufgeschrien, als ihr klarwurde, was hier vor sich ging. Jemand – oder etwas – auf der anderen Seite der Gitterstäbe trank ihr Blut.
    Wilkens’ Hand lockerte ihren Knebel, und sie spuckte ihn aus.
    »Nur zu, schrei, wenn du magst. Wahrscheinlich erwartet das Seine Hoheit sogar.« Roias’ Stimme klang beinahe vergnügt, und Ardeth biss sich auf die Lippen, um der Aufforderung nicht nachzukommen. Es tut nicht weh, sagte sie sich, ganz gleich,

Weitere Kostenlose Bücher