Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
Kaiser wieder an, die Macht an sich zu ziehen. Und die ganze Zeit umkreisten die Schakale aus den Provinzen die Hauptstadt und lauerten darauf, selbst Zugriff zu Wohlstand, Macht und Ruhm zu bekommen.
Unterdessen lebte ich auf meinem Gut im Norden und sah an meinem hundertsten Geburtstag nicht älter aus als an meinem dreißigsten. Mein Sohn starb ebenso wie Tamakatsura.
Aus dem Westen kamen die Mongolen und zogen wieder ab. Zweimal wurden ihre Soldaten von unseren Kriegern zurückgetrieben, und ihre Flotten sanken auf den Grund des Meeres, vom göttlichen Wind rechtzeitig eintreffender Taifune getroffen. Danach begann der mörderische Bürgerkrieg, der mein Land die nächsten vierhundert Jahre lang verwüsten sollte.
Heian-kyo, meine schöne, sterbende Stadt, wurde unter dem Namen Kyoto bekannt. Das konnte sie aber nicht retten; sie brannte nieder und wurde wieder neu erbaut und brannte erneut, während die Shogune und die Kaiser um sie kämpften. Am Ende trugen die Ashikaga-Shogune den Sieg davon.
Inmitten all des Sterbens gab es natürlich auch Schönheit. Aus dem Krieg entstanden Schwerter von exquisiter Handwerkskunst. Aus Zen erwuchsen Philosophie und die Kunst der Einfachheit und der Zurückhaltung.
Selbst in den harten Kodizes lag Schönheit: Loyalität, Gehorsam, Mut regierten nun das Land. Ob nun streng eingehalten oder nicht, dies waren die Werte der Samurai. Selbst ich, der sie ohne ein Gefühl der Reue manipulierte, um meine persönliche Sicherheit zu gewährleisten, spürte ihre Macht. In dieser ganzen Zeit lebte ich mein Leben, vorsichtig dafür sorgend, dass meine Ländereien mir nach meinem »Tod« und späterem Wiederauftauchen auch zurückgegeben wurden. Ich arrangierte meinen Abgang auf hoher See, bei Bränden und in Bergwüsten. Ich lebte als Einsiedler oder Reisender, suchte neue Orte auf unseren Inseln, wo niemand mich kannte, und wo ich die Jahre bis zu meiner Rückkehr nach Hause ausharren konnte.
Trotz der Gefahr kehrte ich stets auf das Gut zurück. Oft erforderte es komplizierte Intrigen und viel Geld, um es in Gang zu halten. Mehr als einmal musste ich dafür töten. Und doch konnte ich es nicht aufgeben. Im materiellen Sinn war es die Quelle meines Wohlstandes. Seine Reisfelder und Bauern boten mir Sicherheit. Darüber hinaus war es, als wäre ich dort in irgendeiner Weise verwurzelt. Ich war nicht dort geboren, und doch zog es mich so an, wie in den Mythen des Westens die Heimaterde meinesgleichen anzieht. Vielleicht war dieses Gut ebenso wie dieses Tagebuch ein Mittel, um meine Vergangenheit zu bewahren und mich zu erklären.
Zu jener Zeit habe ich natürlich nicht über diese Dinge nachgegrübelt. Ich zog es vor, nicht darüber nachzudenken, was ich geworden war oder weshalb. Ich akzeptierte einfach das merkwürdige Schicksal, das mir beschieden war, und lebte weiter.
24
Lisa Takara gab es auf, Schlaf finden zu wollen. Zuerst war es wunderbar gewesen, sich in ihrem eigenen Apartment wieder sicher zu fühlen. Im eigenen Bett zu schlafen und nicht zusammengerollt auf der Couch im Keller von Derek und Angie. Sich wieder mit den eigenen vier Wänden vertraut zu machen.
Vielleicht war es unsinnig oder einfaches Wunschdenken, aber sie vertraute auf Fujiwaras Wort, dass er sie nicht mehr belästigen würde. Sie hatte zum ersten Mal seit Wochen wieder voll Freude in der Universität gearbeitet und war kein einziges Mal zusammengezuckt, wenn sie auf dem Flur Schritte gehört hatte.
Selbst der Anruf von Ardeth Alexander hatte sie nicht gestört, sobald klar war, dass Miss Alexander begriffen hatte, dass sie wollte, dass man sie in Frieden ließ.
Ich nehme an, Ardeth war also doch in Toronto. Sara muss gewusst haben, wie sie ihre Schwester finden konnte. Ich frage mich, ob Rossokow auch dort ist.
Das ist also der Grund, warum du nicht schlafen kannst, dachte sie, als sie ins Wohnzimmer tappte. Du grübelst dauernd über diese Dinge nach, wo du doch eigentlich keinen Anlass mehr dazu hast.
Es ist vorbei. Die Yakuza werden dich in Frieden lassen. Du weißt, dass es tatsächlich Vampire auf der Welt gibt. Was willst du sonst noch?, fragte sie sich trotzig und weigerte sich, einen Blick auf ihr Handgelenk zu werfen. In den letzten paar Tagen hatte sie sich immer wieder dabei ertappt, wie sie es musterte, wie ihre Finger über die Vene strichen, als könnte sie dort Spuren seiner Zähne finden.
Sie drängte die Erinnerung beiseite und ging in die Küche, zwang ihre Hände, sich zu
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