Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
am nächsten Morgen trafen die Schauspieler ein. Dienstboten wie Samurai hielten in ihren Pflichten inne, um zuzusehen, wie die Truppe einritt, denn sie war farbenprächtig gekleidet – leuchtende Flecken aus Rot und Gold und Grün vor dem Weiß und dem Schwarz der schneebedeckten Hügel und der kahlen Bäume. Es waren fünfzehn Mann. Sie gingen zu Fuß, ritten oder saßen auf den von Ochsen gezogenen Karren, die auf dem gefrorenen, von tiefen Fahrrinnen durchzogenen Pfad zu den Toren des Hauses schwankten.
Am Tor begrüßte Tadeo sie, denn Baron Sadamori war gewohnt, den größten Teil des Tages zu ruhen und seinen Geschäften erst nachzugehen, wenn die Sonne untergegangen war. Die Schauspieler und ihre Truhen voll mit Kostümen und Masken wurden entladen, und die Dienstboten erhielten den Auftrag, ihnen bei der Errichtung einer Bühne zu helfen. Für die Vorstellung hatte man einen Platz im alten Teil des Herrenhauses ausgewählt, das nach dem Bau des neuen, befestigten Herrensitzes aufgegeben worden war. Deshalb musste viel getan werden, um es für den neuen Einsatz herzurichten.
Bei Sonnenuntergang, als der Baron sich von seinem Lager erhob, trat Tadeo mit einer Verbeugung in seine Gemächer ein und wartete, während sein Herr den Tee zu sich nahm. Die Silhouetten der Wachen bewegten sich jenseits der Shoji-Schirme, und aus der Halle konnte der Haushofmeister den Gesang einer Frauenstimme hören – der jüngsten Konkubine des Barons.
»Die Schauspieler sind eingetroffen?«
»Ja, mein Gebieter. Ihr Anführer hat gesagt, dass sie morgen Abend bereit sein werden, für uns aufzutreten, aber er würde es sich als eine Ehre anrechnen, wenn er Euch heute Abend seine Aufwartung machen dürfte, so Euch das passt.«
»Dieser Meister Hidekane. Was für eine Art von Mann ist er?«
»Er ist viel jünger, als ich erwartet habe. Aber der Bote hat nicht gelogen: Es scheint eine wohlhabende Gruppe zu sein. Da ist nur eines …« Der Haushofmeister hielt plötzlich inne, unsicher geworden. Sadamori nickte.
»Nur zu.«
»Vielleicht ist es nichts. Ich würde Euch damit nicht belästigen, mein Gebieter. Ich weiß nur, dass Ihr … um Eure Sicherheit besorgt seid. Als ich Meister Hidekane sagte, dass er in dem alten Herrenhaus auftreten würde, hat er nur genickt und zugestimmt.«
»Und du hast Widerspruch erwartet?«
»Ihr werdet mir verzeihen, wenn ich darauf hinweise, dass Künstler häufig empfindlich sind. Das alte Herrenhaus könnte sich in baufälligem Zustand befinden, und doch schien er in keiner Weise besorgt, noch hat er verlangt, es sofort zu sehen, oder Veränderungen gefordert, die nicht möglich waren. Einige Eurer anderen … Künstler … Gäste waren weniger leicht zufriedenzustellen.«
Der Baron dankte Tadeo für seine Information und entließ ihn, konnte aber das leichte Unbehagen nicht abtun, das die Worte des Haushofmeisters in ihm hinterlassen hatten. Vielleicht wollte der Schauspieler seinem Gastgeber gegenüber lediglich höflich sein und deshalb keine Beleidigung riskieren, die vielleicht den Auftritt – und die erhoffte Belohnung – in Gefahr bringen könnte. Aber Tadeo hatte Recht. Die Musiker und Maler, die manchmal bei ihm wohnten, pflegten in der Tat die Privilegien häufig über Gebühr auszunutzen, die ihre Talente ihnen verschafften.
Sadamori beschloss, die Bekanntschaft dieses jungen Meisters zu machen, um festzustellen, ob tatsächlich Gefahr drohte. Er war jetzt seit zwanzig Jahren hier sicher gewesen. Tadeo war seit früher Kindheit dazu erzogen worden, ihm zu dienen und ihn zu beschützen. Seine zwei Konkubinen wussten, dass er nicht das brauchte, was andere Männer brauchten, und dafür nahm, was kein anderer Mann je genommen hatte. Aber da er sie in jeder anderen Weise gut behandelte, schienen sie nicht geneigt, sich zu beklagen. Unter den Samurai gab es möglicherweise einige, die etwas ahnten. Aber sie hatten den Eid abgelegt, in seinem Dienst zu sterben, und außerdem – da er ein äußerst listenreicher und erfahrener General war – kamen mehr von ihnen zu Wohlstand, als den Tod fanden. Deshalb waren sie zufrieden.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Schauspieler für ihn eine Bedrohung darstellen könnte, außer vielleicht, dass er durch eine blühende Fantasie möglicherweise mehr dazu neigte, etwas zu glauben, was ein pragmatischerer Kopf nicht glauben würde. Trotzdem würde er diesen Mann empfangen. Er würde sich selbst ein Urteil darüber bilden, ob seine
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