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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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Dunkelheit. Konnte es sein, dass mein Zeitgefühl so durcheinander gebracht worden war?
    Dann hörte ich das Jammern und Wehklagen. Stimmen schrien voll Schmerzen, riefen nach Müttern und Vätern, weinten um Söhne und Töchter. Kein Erdbeben , dachte ich jetzt. Ein feindlicher Angriff .
    Ich schob die letzten Bretter weg und wagte einen Blick nach draußen.
    Ich erwähnte schon lange zuvor, dass wir Fujiwaras Dichter sind, dass wir Worte lieben. Aber was für Worte auch immer ich hier schreibe – sie können nichts als blasse Gespenster der schrecklichen Realität sein, die ich erblickte. Der Himmel war schwarz vom Rauch und vom Staub, und die Sonne brannte nur in einem krankhaften, orangefarbenen Leuchten schwach dahinter. Die Häuser rund um die Ruine meiner Unterkunft lagen jetzt ebenfalls in Schutt und Asche, plattgedrückt, als hätte ein mächtiger Wind sie umgeblasen. Bretter und Töpfe, verbrannte Kleidung und persönliche Habseligkeiten übersäten die Straße.
    Gestalten zogen draußen vorbei, und einen wahnsinnigen Augenblick lang dachte ich, es sei die Nachtparade der Einhundert Dämonen, dachte, ein jahrhundertealter Aberglaube sei vor mir zum Leben erwacht. Dann wurde mir bewusst, dass das, was dort draußen vorüberging, nicht Dämonen waren, sondern Menschen.
    Menschen, die schwarz und rostrot verbrannt waren, das Haar versengt, von Asche weiß. Menschen, denen die Haut wie Fetzen von den Armen hing und das blutrote Fleisch und die weißen Knochen darunter sehen ließ. Frauen, die Kinder trugen, denen die Köpfe mit glasigen Augen herunterhingen, weit von dem Trost entfernt, den ihre Mütter ihnen aus zerrissenen, vor Durst blutenden Lippen zuflüsterten. Eine Gruppe Schulmädchen humpelte vorbei, vor Schmerz wimmernd von all den Glassplittern, die in ihren nackten Rücken steckten.
    Auf dem Boden lagen Leichen herum, die so schwarz und verkrümmt waren, dass ich nicht sagen konnte, ob sie auf dem Rücken oder auf dem Bauch lagen. Aus den Häuserwracks rings um mich herum kamen schwache Hilferufe, ein Flehen, das die leeräugigen Überlebenden kaum rührte, die vorbeischlurften. Ein weinender Mann grub mit blutenden Händen in den zerfetzten Überresten seines Hauses.
    Ich mühte mich aus der Umarmung all der Trümmer heraus und trat in einen Alptraum ein. So weit mein Auge reichte, gab es nichts als Zerstörung, Verwüstung, Feuer und Leichen.
    Der Geruch von brennendem Fleisch hing in der schwachen Brise. Als ich oben auf die Reste meiner Zuflucht kletterte, konnte ich ein paar Häuserblocks entfernt den Fluss sehen, aufgedunsen von den Ertrunkenen, die sich hineingeworfen hatten, um Erleichterung zu finden, als ihre Körper in Flammen standen.
    Was auch immer das angerichtet hatte, war keine Brandbombe gewesen, und auch nicht das konzentrierte Bombardement, das Tokio bei früheren Angriffen in einen Feuersturm verwandelt hatte.
    Mir kam es so vor, als hätte ich eine Ewigkeit auf dem Schuttberg gesessen und zugesehen, wie die wandelnden Leichen an mir vorüberzogen. Denn so kamen sie mir vor – auch diejenigen, die unversehrt aussahen.
    Ich konnte den Tod an ihnen riechen.
    Zuletzt blickte ich nach links und sah, dass das Feuer diese Straße erreicht hatte. Halb betäubt kroch ich in meine Zuflucht zurück und holte meinen Koffer mit Kleidern und Habseligkeiten heraus. Mir blieb nichts übrig, als mich dem Strom der Flüchtlinge anzuschließen, welche die Stadt verließen.
    Ich ging lange Zeit, zog an der sich langsam bewegenden Prozession vorbei, bis es so aussah, als würde ich sie auf der staubigen Straße anführen.
    Der Himmel hatte sich allmählich aufzuhellen begonnen, und ich erkannte, dass ich bald wieder Schutz würde suchen müssen.
    Aber vorher brauchte ich Nahrung.
    Mein Bewusstsein schreckte vor dem Gedanken zurück, meinen Mund an geschwärzte Haut zu legen, aber der alte Überlebensinstinkt war stärker als jeglicher Skrupel oder Ekel. Das mussten diese Leute doch ganz sicher verstehen, dachte ich, als ich wieder am Straßenrand stehen blieb und zusah, wie die hohläugige Masse weitertaumelte. Was ist es denn, was sie auf ihren verbrannten Füßen weitergehen lässt, während ihnen die Haut von den Fingerspitzen fällt? Was ist es denn, was ihr Bewusstsein in solchen Schock hüllt, dass sie nicht einmal richtig wissen, was mit ihnen passiert ist? Wir alle auf dieser Straße sind wandelnde Leichen, dachte ich erneut. Ich bin nur derjenige, der das am ehesten gewöhnt ist.
    Ein

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