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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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besitzt keine Festigkeit, keine physische Präsenz so wie Tomoe. Sie hat Haare von der Farbe des Herbstlaubes und Augen wie das Meer. Ich habe mich gefragt, wie dieses Haar wohl auf Seide ausgebreitet aussehen würde. Ich habe mich gefragt, wie es sein würde, die blauen Venen nachzuzeichnen, die ich unter der seltsam weißen Haut ihrer Handgelenke sehen kann. Ich habe mich gefragt, was für Träume sie hat und was für Träume sie im Schlaf oder im Wachen begrüßen würde, falls ich in ihr Zimmer treten und sie ihr anbieten sollte.
    Ich habe mich gefragt, wie das Blut des Westens wohl schmeckt.

30
     
    Der Sänger war sehr schlecht. Takashi Yamagata hörte sich seine in der falschen Tonlage wiedergegebene Version von »Long and Winding Road« an und wünschte sich plötzlich, eine Pistole zur Hand zu haben.
    Er besaß natürlich eine. Sie war unter dem Sitz der gemieteten Limousine verborgen. Sie in die Karaoke-Bar mitzubringen wäre ausgesprochen unhöflich gewesen. So etwas überließ er Jiro und seinen anderen Männern.
    Yamagata warf einen Blick auf den Tisch auf der anderen Seite des Lokals, wo seine Männer saßen. Sie waren hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sich zu amüsieren, mitzusingen und mitzutrinken, und der Unruhe, die es ihnen bereitete, dass er nur eine Saallänge von ihnen entfernt war.
    Er sollte eigentlich nicht alleine hier sitzen. Er sollte nicht einmal den Wunsch dazu verspüren. Dass er das doch tat, machte ihn zu einer Art Sonderling, genauso wie seine Harvard-Ausbildung. Das war eine Tatsache, die er zu seinem Vorteil nutzte. Schließlich war der Oyabun noch viel merkwürdiger als er. Diese Ähnlichkeit zwischen ihnen beiden bestärkte seine Position.
    Im Augenblick hätte er nicht klar denken können, wenn seine Männer sich um ihn gedrängt hätten. Er brauchte Freiraum um sich herum, und das anonyme Klagen des Karaoke-Gesangs in den Ohren.
    Er hob sein Glas Scotch an die Lippen und nahm einen Schluck, genoss das Brennen in seiner Kehle. Fühlt es sich so an?, fragte er sich. Brennt es, wenn es einem durch die Kehle rinnt, so wie Alkohol?
    Die Wärme breitete sich in ihm aus, konnte aber den Druck nicht mildern, der auf seiner Brust lastete. Solange seine Fragen nicht beantwortet waren, würde dieser Druck anhalten. Was wusste Fujiwara? Was wollte er hier in Kanada? Wenn er alles wusste, was würde er dann unternehmen?
    Die Nachricht, die ihn in seinem Hotel erwartet hatte, war knapp und nichtssagend gewesen. »Halten Sie sich von Dr. Takara fern. Um die Angelegenheit wird sich gekümmert.« Kein Name, nur Fujiwaras Stempel.
    Woher wusste er es?
    Yamagata sah zu den Yakuza am anderen Tisch hinüber. Unter ihnen gab es natürlich einen Spion. Er hegte schon längere Zeit den Verdacht. Die meisten Männer glaubten, sie hätten die ganze Zeit die Anweisungen des Oyabun befolgt. Das Risiko, dass sie herausfanden, dass das nicht der Fall war, war gering, schließlich kannten sie Fujiwara nicht gut genug, um ein persönliches Gespräch mit ihm zu führen.
    Wie lange hatte Fujiwara Bescheid gewusst? War es möglich, dass er es erst kürzlich herausgefunden hatte? Unwahrscheinlich, räumte Yamagata mit einem halblauten Grunzlaut ein. Fujiwara hatte die ganze Zeit Bescheid gewusst und ihn gewähren lassen, aus Gründen, die nur er kannte.
    Was darauf hindeutet, dass er gegenüber deinen Gründen keinen Argwohn hegt, sagte er sich. Du kannst jederzeit rechtfertigen, was du getan hast, kannst behaupten, es sei in seinem Interesse geschehen.
    Er trank wieder, diesmal einen größeren Schluck.
    Er hatte all das schon tausendmal überdacht. Dr. Takara war off-limits erklärt worden, und das bedeutete, dass sie Fujiwara Dinge gesagt hatte, die sie ihm verschwiegen hatte. Fujiwara hatte ihm nicht befohlen, nach Japan zurückzukehren, und das bedeutete entweder, dass er Yamagata hier haben wollte oder dass es ihm gleichgültig war.
    Das Sicherste würde sein, einfach hier in Vancouver zu warten, bis er weitere Anweisungen erhielt.
    Aber wenn er das tat, was das Sicherste war, dann würde all das seinen Händen entgleiten, wofür er sich die letzten zehn Monate angestrengt hatte. All die Komplotte, der teure Erwerb der Filme, die Manipulation von Dr. Takara … all das wäre dann umsonst gewesen. Er würde für nichts und wieder nichts auf der Messerschneide des Verrats gewandelt sein.
    Jetzt sang jemand anderer eine passable Baritonversion eines weiteren Beatlesliedes. Es erinnerte ihn an den

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