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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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goss. »Fujiwara-san trinkt oft eine Tasse.«
    Ardeth nickte und sah ihr zu, wie sie den Tee einschenkte. Ihre Finger waren kurz und doch irgendwie graziös, obwohl sie keine Ringe und weder Nagellack noch sonstigen Schmuck trug. Sie hatte ihre weite Jacke ausgezogen und trug jetzt ein kurzes, rotes Top und einen Rock, der ihr fast bis auf die Fesseln fiel, die in schwarzen Stiefeln steckten. Neugierig und für jeden Gedanken dankbar, der sie von ihrem Reiseziel ablenkte, fragte sie: »Wie kommt es, dass Sie für einen Vampir arbeiten?«
    »Meine Familie hat mich ihm übergeben, als ich fünf Jahre alt war«, antwortete sie, und dann zuckten ihre Lippen amüsiert. »Sehen Sie mich doch nicht so entsetzt an, Miss Alexander.«
    »Ardeth, bitte.«
    »Ardeth«, nickte sie. »Das Dorf, in dem meine Eltern lebten, befindet sich auf dem Land, das seit langer Zeit zu den Fujiwara-Besitzungen gehört. Es ist dort altehrwürdige Tradition, dem Herrn Kinder zum Dienst anzubieten. Natürlich wusste niemand, dass es in all den Jahrhunderten immer derselbe Herr war.«
    »Aber Sie wegzugeben …«
    »Man hat sie dafür reichlich entschädigt, mit Geld ebenso wie mit Ehrungen. Es war natürlich vom Gesetz her nicht erlaubt, aber wann hat das schon jemals etwas verhindern können? Ich konnte mich glücklich schätzen. Fujiwara-san sorgte dafür, dass ich eine gute Ausbildung bekam und dass man sich um mich kümmerte. Ich habe keinen Grund zur Klage.«
    »Was tun Sie?«
    »Ich führe seinen Haushalt. Ich erledige all die Dinge, die er bei Tageslicht nicht tun kann. Außerdem bin ich seine persönliche Leibwächterin.« Dabei lächelte sie leicht, und Ardeth wusste sofort, dass man ihr ihre Skepsis hatte ansehen können. »Wenn Sie sterblich wären, könnte ich sie mit bloßen Händen töten.« Sie nippte an dem dampfenden Tee.
    »Weshalb braucht er eine Leibwächterin?«
    »Er ist der Oyabun, der Anführer einer Yakuza -Organisation. Er ist sehr wohlhabend.« Sie lächelte. »Und außerdem ist er ein Vampir.«
    »Und das macht Ihnen gar nichts aus?«, fragte Ardeth. In Büchern und Filmen hatten Vampire häufig menschliche Bedienstete, aber für gewöhnlich wurden sie eher als widerwärtige Ungeheuer dargestellt. Sie hatte sich so etwas nie für sich ausgemalt – die Möglichkeit, jemanden zu finden, dem sie in solchem Maße vertraute, schien ihr viel zu weit hergeholt, um sich ernsthaft damit zu befassen.
    »Nein. Er ist Fujiwara-san. Das ist alles, worauf es ankommt. «
    Es gab da natürlich noch eine weitere Frage, aber Ardeth war zu höflich, um sie zu stellen. Trotzdem konnte sie sich nicht davon abhalten, einen verstohlenen Blick auf ihre Handgelenke zu werfen, während Akiko sich abermals Tee einschenkte. Sie glaubte, auf der hellen Haut die Andeutung von winzigen Narben erkennen zu können … aber das konnte auch ebenso gut nur ihrer Fantasie entsprungen sein.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht – würden Sie mir dann erzählen, wie Sie zum Vampir wurden? Das geschah doch erst in jüngster Zeit, wie ich gehört habe.«
    »Hat das etwas zu bedeuten?«, fragte Ardeth sich, während sie sich klarzuwerden versuchte, ob es ihr etwas ausmachte oder nicht.
    »Sie sind von der Art meines Gebieters. Es würde mich sehr interessieren«, erwiderte Akiko, und Ardeth entging nicht, dass Fujiwaras Status sich jetzt von dem des Arbeitgebers zum Gebieter gewandelt hatte.
    »Ich hatte die Wahl, getötet zu werden oder ein Vampir zu werden. Zu der Zeit schien mir das keine schwere Entscheidung«, sagte Ardeth schließlich, um die Frage irgendwie zu beantworten, und zugleich in dem Wissen, dass es ihr tatsächlich unangenehm wäre, die ganze Geschichte zu erzählen. »Und wie ist es mit Ihnen? Wollen Sie ein Vampir werden?«
    Die Frau starrte einen Augenblick lang in ihre Teetasse und blickte dann auf. »Ich glaube nicht. Ich sage das natürlich, weil ich jung bin und mich nicht dem Tod gegenübersehe. Was ich unter solchen Umständen antworten würde, weiß ich nicht. Aber ich glaube nicht, dass es mein Karma ist. Verstehen Sie?«
    »Ein wenig«, nickte Ardeth und versuchte, sich an das zu erinnern, was sie über den buddhistischen Glauben gelernt hatte. Ist es dann mein Karma?, dachte sie mit einem Anflug absurden Humors. Ich muss in meinem letzten Leben irgendetwas Schreckliches getan haben: Wenn das stimmt, was werde ich dann in meinem nächsten Leben sein, wann auch immer das sein mag?
    »Sie haben Ihren Tee gar nicht angerührt«, stellte

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