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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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Möglicherweise würde er sich am Ende als Gefangener einer neuen Macht wiederfinden, die vorhatte, ihn auszubeuten, und deren Hauptquartier sich in Tokio statt in Toronto befand. Möglicherweise würde er sich im Konflikt mit einem anderen Vampir befinden und zu der Entscheidung gezwungen sein, sich ihm zu stellen oder nachzugeben und das Feld zu räumen. Aber er konnte Banff nicht verlassen, gestand er sich mit reuevoller Ehrlichkeit ein, nicht solange noch die Chance bestand, dass Ardeth vielleicht doch noch zurückkehren könnte.
    Die Erinnerung an seine anderen Überlegungen zog ihm durch den Kopf. Nicht Konflikt, sondern Gemeinschaft. Nicht Fragen, sondern Antworten. Er schob die Gedanken von sich, weil sie auf ihre Art viel mehr Schreckliches in sich bargen als jene, die sich mit Verrat und Gewalt befassten.
    Er blickte wieder zum Fenster hinaus und sah nichts als den vorbeihuschenden Wald und die unbestimmten dunklen Linien der Berge vor dem noch dunkleren Himmel. All sein Grübeln würde ihn nicht näher an die Antwort bringen. Das konnten nur die Räder des Wagens. Er musste einfach Geduld haben. Mit einem leichten Lächeln um die Lippen ließ er sich in den weichen Luxus der Polster sinken und sah zu, wie die Straße am Fenster vorbeifloss.
    Eine halbe Stunde später bog der Wagen ab. Die Bäume schienen plötzlich näher zu rücken, als die Straße schmaler wurde. Schwache Lichter tauchten zwischen den Zweigen auf, dann glitt ein Gebäude vorbei. Rossokow konnte einen kurzen Blick auf einen wuchtigen Blockhausbau und auf eine kleine Ansammlung davor aufgereihter Fahrzeuge erhaschen. Der Wagen rollte weiter, und der Wald verschluckte die Lichter wieder. Endlich verlangsamte die Limousine ihre Fahrt und hielt an. Er verspürte, wie ein leises Zittern durch das Fahrzeug ging, als die vordere Tür zufiel. Dann wurde die seine geöffnet.
    Er trat in die kühle Herbstluft hinaus. Das Gebäude, dem er sich gegenübersah, war entweder ein großes Haus oder eine kleine Jagdhütte, entschied er. Die Wände waren aus runden, rostrot gestrichenen Baumstämmen zusammengefügt. Das spitze Dach schimmerte grün, als das Licht aus dem Eingang darauf fiel. Die beiden großen Fenster an beiden Seiten der Tür waren mit Vorhängen verhängt, ließen aber ein schwaches, goldenes Leuchten hindurch.
    Die Wagentür fiel hinter ihm ins Schloss, und der Fahrer trat vor ihn und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, dass er ihm folgen solle. Er ging den Plattenweg auf das Haus zu und musste dabei unwillkürlich denken, dass das dichte, immergrüne Gehölz, das den Weg säumte, einem Angreifer Schutz bieten würde. Aber ein so primitiver Angriff würde nicht zu jemandem passen, der ein solches Tagebuch geschrieben hatte, rief er sich ins Gedächtnis. Ein anderer Vampir würde es ganz sicherlich nicht nötig haben, wie ein billiger Meuchelmörder im Gebüsch zu lauern.
    Sie erreichten ohne Zwischenfall die Tür. Der Fahrer öffnete diese und komplimentierte ihn hinein. Das Innere des Hauses zeigte dieselbe satte Farbe wie sein Äußeres. Die über zwei Stockwerke reichende Eingangshalle wurde von einem großen, aus dunklem, poliertem Holz gefertigten Lüster beleuchtet. Ein Perserteppich in leuchtender Farbenpracht lag auf dem auf Hochglanz polierten Parkett. Die Wand des vor ihm liegenden Treppenhauses war mit geschnitzten und bemalten Masken behängt, deren Ursprung Rossokow nicht erkannte.
    Der Fahrer führte ihn durch die Halle und blieb vor einer offenen Tür stehen. »Mr. Fujiwara erwartet Sie«, sagte er, verbeugte sich kurz und ging dann zum Eingang zurück. Rossokow blickte ihm nach und wartete, bis die schwere Holztür sich geschlossen hatte, ehe er sich der halbgeöffneten Tür vor sich zuwandte.
    Er konnte das Knistern eines Feuers hören und den schattenhaften Tanz von Flammen an der Wand sehen. Sein Bewusstsein tastete in den Raum hinein und erspürte Leben. Aber nicht mehr als das. Keine schattenhaften Gedanken, keine unbestimmten Gefühle, so wie er sie häufig bei Sterblichen spüren konnte. Das war an sich schon bedeutsam, entschied er. Er dehnte seine Suche auf das ganze Haus aus und spürte keine Präsenz auf mit Ausnahme der einen, die in dem vom Kaminfeuer erhellten Raum auf ihn wartete.
    Jetzt reicht es, ermahnte er sich streng, als er sich darüber klarwurde, dass er mit diesem Verhalten, so vernünftig es auch war, nur auf Zeit spielte. Du hast alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Jetzt gibt es nur

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