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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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es mir überlassen sollen, zuerst Kontakt mit ihm aufzunehmen, so wie ich das geplant hatte.«
    »Hattest du das geplant?«
    »Natürlich. Ich wollte dich nicht mit hineinziehen, solange ich nicht sicher war, dass dieser Mann von … dass dieser Mann von deinem Blut ist. Ich habe versucht, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen.« Er verbeugte sich leicht. »Wie du weißt.« Er weiß, dass du lügst, dachte Yamagata voll Verzweiflung. Hast du wirklich geglaubt, du könntest ihn täuschen? Aber wenn er es nicht zugab, wenn er einfach an seiner Darstellung festhielt, konnte der Oyabun dann etwas gegen ihn unternehmen? Natürlich kann er das, verspottete er sich selbst. Du hast ihm einen Eid absoluter Loyalität geschworen. Er kann tun, was immer er will.
    Yamagata hatte nur eine Wahl. Er konnte das Märchen über seine Ziele aufrechterhalten, ganz gleich, was er gefragt wurde, und darauf vertrauen, dass der Oyabun sich am Ende dafür entscheiden würde, seine Handlungen zu übersehen. Oder er konnte die Wahrheit sagen und das Risiko eingehen, dass es ihm immer noch gelänge, seine Absichten zu verwirklichen. Aber beide Alternativen könnten auch zu seinem Tod führen.
    »Takashi.« Der Name, ausgesprochen mit jener leisen vertrauten Stimme, zwang seinen widerstrebenden Blick zu den Augen seines Oyabuns zurück. »War dein Leben in der Makato-gumi befriedigend?«
    »Ja.«
    »Hat es dir nicht eine gute Ausbildung, Macht und Reichtum beschert?«
    »Ja, das hat es.«
    »Habe ich dir nicht mehr vertraut als allen anderen Sterblichen, mit einer einzigen Ausnahme? Habe ich dir nicht klargemacht, dass du die Organisation befehligen sollst, wenn ich mich dafür entscheide, sie zu verlassen?«
    »Ja.«
    »Warum belügst du mich dann?«
    »Weil du mich belügst!« Die Worte waren über seine Lippen gekommen, ehe er ihnen Einhalt gebieten konnte, und einen Augenblick lang erschreckte ihn die nackte Emotion, die aus ihnen erklang. Tief in seinem Innersten wand sich etwas in Qualen und sehnte sich nach der Sicherheit stummer Kapitulation. Und doch war da ein anderer Teil seines Wesens, der Freude daran zu empfinden schien, dass er den automatischen Unterwürfigkeitsreflex abgeschüttelt hatte. Es hat begonnen, dachte er erregt. Die ganze Verstellung hat jetzt ein Ende, alle Masken sind weggefegt. Jetzt kommt es nur noch darauf an, wie es endet.
    »Ich belüge dich?«
    »Denkst du, dass ich dich nicht kenne? Nach all den Jahren, in denen du mein einziger Lehrer, mein einziger Vater gewesen bist. Ich kenne dich besser, als dir bewusst ist. Ich weiß, du hast vor, etwas zu unternehmen, etwas Einschneidendes. Alles andere hast du mir anvertraut: die Organisation, das Geld, dein Geheimnis. Aber in diesem einen Punkt wolltest du mir nicht vertrauen.«
    »Was für ein Geheimnis glaubst du denn, dass ich dir vorenthalten habe?«
    »Du willst fortgehen.«
    »Aber das wusstest du doch. Weshalb hätte ich dich sonst zu meinem Nachfolger ausbilden sollen?«
    »Oh, du hast nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass du vorhattest, dich ›zurückzuziehen‹. Aber du hast mir nicht gesagt, dass du nicht zurückzukommen gedenkst. Wenigstens nicht zu meinen Lebzeiten.« Er hoffte, damit einen Treffer gelandet zu haben. Die ruhigen Gesichtszüge des anderen ließen nichts erkennen. Aber das Schweigen währte so lange, dass es unerträglich wurde.
    »Habe ich dir gesagt, dass ich das würde?« Die Worte bohrten sich wie Messer in ihn.
    »Du hast gesagt, ich sei dein Erbe. Dass alles mir gehören würde, wenn ich es mir verdiente.«
    »Das wird es.«
    »Wird es das? Dann hattest du also vor, es vor deinem Weggang zu tun?« Er bemühte sich, ebenso ruhig und gleichmäßig zu sprechen wie Fujiwara, und sah sich dafür durch ein schwaches Zucken in den schwarzen Augenbrauen des anderen belohnt. Konnte es sein, dass er nie etwas geahnt hatte? Oder war dieses Gespräch nur ein sinnloses Ritual, ehe der Oyabun über sein Schicksal entschied?
    »Was tun, Takashi?«
    »Mich wie dich zu machen.« Yamagata hatte das Gefühl, als wäre mit den Worten eine weitere Barriere in ihm gefallen. In all den Monaten der sorgfältigen Planung, der geheimen Ränke, die er geschmiedet hatte, hatte er sie nie laut ausgesprochen. Er sah einen Funken in den Augen des ausländischen Vampirs aufflackern, sah, wie er sich vorbeugte und hörte, wie die Frau an der Wand den Atem anhielt.
    »Takashi …« Die Stimme des Oyabuns war leise und gebieterisch. »Ich habe dir mein Imperium

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