Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
tun. Bitte mich nicht noch einmal. « Fujiwara saß aufrecht, die Schultern gerade, in seinem Sessel. Yamagata wusste, dass es jetzt nur noch eine Frage gab, die er stellen konnte. Für Ausflüchte und Vorwände war kein Platz mehr. Wenn er hier, in diesem Raum, die Antwort, die er brauchte, nicht bekommen konnte, würde er sie nie bekommen. Wenn er hier scheiterte, würde er seinen Traum aufgeben müssen. Wenn sie glaubten, dass er den Traum weiterverfolgte, würde keiner der Vampire jemals wieder zulassen, dass er in ihre Nähe kam.
»Verbietest du es?«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Yamagata sah, wie Rossokow zu Fujiwara hinüberblickte, aber der Blick des Oyabuns blieb starr. Zuletzt schüttelte Fujiwara den Kopf. Yamagata sah Rossokow an.
»Ich habe lange Zeit nach Ihnen gesucht. Sie wissen, was ich will. Werden Sie es tun?«
In der Stille hörte Yamagata seinen eigenen Herzschlag wie ein lautes Dröhnen. Er hat sich nicht sofort geweigert, sagte er sich. Man kann ihn überreden, wenn man es richtig anstellt.
»Weshalb sollte ich?«, fragte der ausländische Vampir schließlich. Seine Stimme verriet dabei weder Sympathie noch Zorn.
»Weshalb sollten Sie nicht? Ich stelle für Sie keine Bedrohung dar. Selbst mein Oyabun gibt zu, dass ich dessen würdig bin. Sie brauchen mich bloß zu verwandeln, dann werde ich dieses Land für alle Zeit verlassen. Ich werde Sie nie wieder um etwas bitten, nie wieder.«
»Nie wieder ist eine sehr lange Zeit, und ich wiederhole: Weshalb sollte ich?«
»Ich bin ein reicher Mann. Nennen Sie mir Ihren Preis, und ich werde ihn bezahlen.«
»Ich habe nur eine einzige Person verwandelt. Ich glaube, das ist für mich mehr als genug. Es tut mir leid, Mr. Yamagata. «
»Sie haben nicht darüber nachgedacht. Bitte, lassen Sie uns irgendwo hingehen und unter vier Augen darüber sprechen …«, begann Yamagata verzweifelt. Wenn es ihm gelang, Rossokow von Fujiwara wegzubekommen, würde er ihn ganz bestimmt überzeugen können. Welchen Unterschied machte es denn schon für den Gai-jin -Vampir?
»Es tut mir leid …«
Plötzlich ertönte eine Frauenstimme, wenn auch das, was sie sagte, in seiner Bitte und der Ablehnung des Vampirs unterging. Yamagata sah sich verwirrt um. Die dunkelhaarige Frau hatte sich von der Wand gelöst und war in das Licht des Kaminfeuers getreten. »Ich sagte, ich werde es tun.«
»Ardeth!« Der Schock, der aus Rossokows Stimme klang, verwirrte Yamagata.
»Wie meinen Sie das?«, fragte er und sah sie zum ersten Mal richtig an. Nicht hübsch, nicht weich, dachte er, sich unwillkürlich ein Urteil über sie bildend. Aber irgendetwas hat sie. Etwas mehr.
»Ich meine, wenn Sie ein Vampir werden wollen, werde ich Sie zu einem machen.«
»Sie?«, fragte er verwirrt. Sie lachte, es klang bitter, wie ein Bellen. Yamagata sah, wie ihre Augen im Licht des Kaminfeuers sich in Asche und Glut verwandelten. Er hielt den Atem an.
»Wer glauben Sie wohl, dass seine andere Schöpfung ist?«, fragte sie spöttisch. »Also, wollen Sie, dass ich es tue oder nicht?«
»Ardeth, du kannst nicht …«
Yamagata sah zu, wie sie herumfuhr, während Rossokow aufstand. »Warum nicht? Meinst du, du kannst für uns beide entscheiden? Verbietest du es mir?« Er hörte den Spott in ihrer Stimme, aber darunter hörte er auch einen Schmerz, der ihm seltsam vertraut vorkam. Er hatte nur einen Augenblick Zeit, um darüber nachzudenken, wo dieser Schmerz herrührte. Dann stand sie vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt. Von einer schrecklichen Faszination erfüllt, blickte er an ihr empor. Sie war ganz in Schwarz gekleidet. Das schmale Oval ihres Gesichts und ihr Hals zeichneten sich davor in fahlem Weiß ab. Bilder zogen durch seinen Geist. Ein Durcheinander aus Schichten seiner Kindheit, die sich mit Dämonen befassten, und pornographische Impressionen aus seiner Erwachsenenzeit.
Sie streckte ihm die Hand hin.
An der Tür sah sie ihn an. »Haben Sie ein Messer?«
36
Das Obergeschoss des Jagdhauses enthielt einige Schlafzimmer. Ardeth öffnete willkürlich eine Tür und blickte in die Dunkelheit hinein. Der Raum würde sich ebenso wie jeder andere eignen, fand sie. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Yamagata nach dem Lichtschalter griff. Sie hielt ihn am Handgelenk fest. Seine Haut hatte sich abgekühlt, als er draußen bei einem seiner Leute ein Messer besorgt hatte.
Er leistete unbewusst Widerstand, und sie sah, wie seine Stirn sich runzelte, als ihm
Weitere Kostenlose Bücher