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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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darauffolgenden Nacht war Roias zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um sein Spiel der Qualen zu spielen. Er und Wilkens kamen später als gewöhnlich und machten sich nicht einmal die Mühe, Ardeths Zelle aufzusperren.
    »Da hinüber, Schlampe, wie immer«, herrschte Roias sie an. Ardeth stand auf, und ihr Blick wanderte langsam von den Männern an der Tür zu dem stummen Vampir. Als Roias die Hand an ihre Zellentür legte, kauerte sie sich neben die Gitterstäbe. Rossokow trat mit hölzernen Schritten auf die andere Seite und wartete, bis sie ihren Arm durchschob. Er trank aus ihrer Armbeuge. Ardeth wandte das Gesicht von Roias ab, presste es gegen die kalten Eisenstangen und schloss die Augen. Der Akt hatte dieses Mal etwas erschreckend Unpersönliches an sich, als wäre sie nicht mehr als ein Gefäß, das Blut enthielt, ein Glas, das es zu leeren galt. Sie hätte selbst das erschütternde Entzücken der letzten Nacht dieser stummen, schrecklichen Zuführung von Nahrung vorgezogen.
    Roias beendete es weit früher als gewöhnlich, ohne ein Wort zu sagen. Der Viehstachel traf Rossokow seitlich am Kopf und ließ ihn knurrend von den Gitterstangen zurückweichen. Roias lachte und stieß noch einmal nach ihm. Er trieb ihn ans andere Ende der Zelle, wo der Vampir außer Reichweite der Treibstange war und Roias mit brennenden Augen musterte.
    Ardeth setzte sich ein Stück von den Gitterstäben weg und presste ihren Arm an sich. Den Kopf hielt sie gesenkt. »Herrgott«, schimpfte Roias, angewidert oder vielleicht auch verärgert, und sie hörte es klappern, als er den Viehstachel von sich warf. Sie wartete, bis die Tür oben sich geschlossen hatte, ehe sie wieder den Kopf hob. Rossokow hatte sich aufgerichtet und starrte zur Tür hinauf, angespannt und entsetzlich still. Ardeth griff nach den Gitterstangen, um sich wieder hochzuziehen, und nun sah er sie an. Fast hätte sie die Hand weggerissen, als sie den Hass in seinen Augen sah. »Sind Sie in Ordnung?«, erkundigte sie sich vorsichtig.
    »Fragen Sie mich nicht so etwas!«, herrschte Rossokow sie an. »Ich bin nicht ›in Ordnung‹. Hier drinnen kann ich nicht ›in Ordnung‹ sein.« Seine Stimme klang eisig vor Verachtung.
    »Wer kann das schon?«, fragte sie, und ihre eigene Stimme hob sich, als der Zorn die Übermacht über die Angst gewann, die sie vor ihm empfand. Der Zorn drohte die gelassene Rationalität zu überspülen, mit der sie die zerbrechliche Brücke zwischen ihnen aufrecht erhielt. »Meinen Sie, dass ich in Ordnung bin? Die Antwort darauf sollten Sie am besten kennen.«
    »Ich kann nichts dafür, dass ich das bin, was ich bin, und auch nicht für das, was ich zum Überleben brauche. Ich habe nicht vierhundert Jahre gelebt, damit die mich hier unten verhungern lassen.« Sein Ton ließ keine Spur einer Entschuldigung erkennen.
    »Wahrscheinlich ist Ihnen noch nicht in den Sinn gekommen, dass ich auch überleben will. Man wird Sie nicht zu Tode hungern lassen. Wenn Sie zu hungrig werden, dann geben die Ihnen einfach wieder irgendeinen Junkie, den sie für die Kamera umbringen können«, sagte sie bitter. »Was denken Sie, dass die mit mir vorhaben, hm? Was werden sie mit mir tun?«
    Sie weinte, ehe sie es merkte, zerschmettert von dem plötzlichen Ansturm all des Schmerzes und der Angst, die sie in den letzten Tagen mit so viel Mühe unter Kontrolle gehalten hatte. Ardeth lehnte den Kopf an die Gitterstäbe und ließ ihrem Schluchzen freien Lauf. Es schien so viel leichter, nachzugeben, als weiter gegen die Dunkelheit zu kämpfen, die sie von allen Seiten bedrängte.
    Als seine Hand über ihr Haar strich, war sie zu erschöpft, um sich ihm zu entziehen, obwohl sie wusste, dass sie das sollte. Er könnte dich töten, warnte die Stimme in ihr. Lass ihn, dachte sie, für den Augenblick schien das der einfachste Ausweg.
    Die Hand legte sich auf ihren Kopf und glättete sanft ihr Haar. »Kind.« Es war nur ein geflüstertes Wort. »Es tut mir leid. Ich bin selbstsüchtig – das ist mein Wesen –, aber es tut mir leid. Sie sind freundlich zu mir gewesen, viel freundlicher, als ich es verdiene.«
    »Ich bin nicht freundlich«, murmelte Ardeth, hob aber nicht den Kopf. Er hörte nicht auf, ihr übers Haar zu streichen.
    »Ich weiß, Sie glauben, dass Sie klug sind, indem Sie mich zu einem Verbündeten gegen diese Leute machen.« Ihr Kopf bewegte sich unter seiner Hand, das einzige Zeichen ihrer Überraschung. »Ich hätte dasselbe getan, wenn meine

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