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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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schrecklichen Film wieder durch ihren Geist ziehen, und sie zwang sich, an etwas anderes zu denken. »Stimmt irgendetwas davon? Die Geschichten von wegen Sonnenlicht und Knoblauch und Kruzifixen.«
    »Wie es mit den meisten Mythen der Fall ist, gibt es unter all dem erfundenen Unsinn auch ein kleines Körnchen Wahrheit. Das Licht der Sonne wird mich nicht mit einem einzigen Strahl verbrennen, aber ich ziehe es vor, mich ihr nicht auszusetzen. Knoblauch ist unangenehm, aber keineswegs etwas, das mich verjagen kann. Was Kruzifixe angeht, so bin ich kein Dämon. Oder wenigstens einer, der so weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle Gottes existiert, dass er sich nicht um mich kümmert. Ich habe in der Kathedrale von Notre Dame gebetet und bin durch die Straßen des Vatikans spaziert, ohne dass mir ein Leid widerfahren wäre. Ein Pfahl durchs Herz würde mich wahrscheinlich töten, ebenso wie Feuer, oder wenn man mir den Kopf abschlüge. Aber unter normalen Umständen bin ich einfach nur viel stärker und beweglicher als ein sterblicher Mensch.«
    »Unter normalen Umständen«, begann Ardeth zögerlich und wog ab, wie sehr sie eine Antwort auf die nächste Frage wirklich hören wollte. Aber die Neugierde obsiegte, und sie fuhr fort: »Wie oft müssen Sie …«
    »Wie oft ich Nahrung zu mir nehmen muss? Nach meinem langen Schlaf brauchte ich verzweifelt Nahrung, deshalb konnten die Männer dieses Bedürfnis gegen mich verwenden. Normalerweise brauche ich ein- oder zweimal in der Woche Nahrung. Es kann auch weniger sein, aber dann«, er hielt einen Augenblick lang inne, als suche er nach einem Wort, »muss ich nachhaltigen Schaden zufügen. Und das würde eine Spur von Leichen hinterlassen.«
    »Darüber hatte ich mir schon den Kopf zerbrochen«, gestand sie ein.
    »Als sich der Wandel ursprünglich in mir vollzog, war der Hunger so, wie er jetzt ist. Wenn ich nicht großes Glück gehabt hätte, hätte man mich wahrscheinlich erwischt und vernichtet. Darin wurzeln ohne Zweifel all die Geschichten, die in meiner alten Heimat so weit verbreitet sind. Ein neu erschaffener Vampir schlägt auf der Suche nach Blut alle Vorsicht in den Wind, kehrt oft in blinder Sucht zu seiner eigenen Familie zurück. Die meisten hat man kurz nach dem Erwachen erwischt und getötet.«
    »Gibt es viele Vampire?«
    »Meines Wissens nicht. Ich habe nur zwei weitere gekannt – die, die mich erschaffen hat und … einen anderen. Aber vielleicht gibt es mehr.«
    »Können Sie jemanden zum Vampir machen? Oder geschieht das automatisch?«
    »Das ist ein bewusster Vorgang. Er bedarf einer klaren Entscheidung, wenigstens meinerseits. Ich habe es nie getan.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist nichts, das man leichtfertig tut. Jeder neue Vampir würde für mich die Gefahr der Entdeckung vergrößern, und ich würde es vorziehen, nicht wegen der Unachtsamkeit eines anderen sterben zu müssen. Und diejenigen, denen ich begegnet bin, und die sich nach mir sehnten, waren alles andere als die Art von Person, mit der ich gerne die Ewigkeit teilen würde. In Wahrheit sind wir ein einsames Grüppchen. Es ziemt sich nicht für uns, das zu vergessen.« Sie hörte die Ironie in seinem Tonfall und den bitteren Schmerz, der wie ein Haifisch darunter hinwegglitt. Ardeth verspürte den plötzlichen Stich mitfühlender Besorgnis, fragte sich zum ersten Mal, wie es wohl sein mochte, wenn ein ganzes Jahrhundert verstrich, während man nur für eine Weile ausruhte. Wie es war, sich einem Leben ausgesetzt zu sehen, das ewig andauern konnte, wenn auch nur unter dem fahlen Licht des Mondes. Aber es auf ewig alleine verbringen musste. Sie hatte sich stets für einen Menschen gehalten, der dem Alleinsein zugetan war, jemanden, der die Stille der Bibliothek und den Frieden der eigenen Wohnung genoss. Aber sie hatte auch immer Freunde gehabt, und Sara, und die Zuversicht, eines Tages zu lieben und geliebt zu werden.
    »Was hat Sie nach Toronto verschlagen? War es einfach der nächste Ort auf der Landkarte?«, fragte sie, um die Sorgen fernzuhalten, die sie sonst beide quälen würden.
    »Ich denke schon. Ich war noch nie in Nordamerika gewesen … Eine Seereise, die einen Monat dauert, war nichts, was man leichtfertig ins Auge fasste. Aber Europa hatte sich verändert … Für mich schwer zu ertragen … Und ich hatte das Bedürfnis, es weit hinter mir zu lassen.«
    »Ich kann mir vorstellen, dass Toronto Ihnen sehr provinziell erschienen sein musste.«
    »O ja. Aber ich brauchte seinen

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