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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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Pause. »Dann scheint mir, dass ich mich in diesem neuen Zeitalter zu Hause fühlen sollte. Nach Ihrer Beschreibung scheint es mir wesentlich liberaler zu sein als die letzte Epoche, in der ich lebte.«
    »Nun, so war es wohl, denke ich. Aids hat daran sehr viel verändert.« Auf seinen fragenden Blick hin fuhr sie fort: »Das ist eine Krankheit, die durch die Körperflüssigkeiten übertragen wird, gewöhnlich durch Geschlechtsverkehr oder über Nadeln und Spritzen. Sie ist tödlich.«
    »Ich bin gegen die meisten Krankheit immun. Aber ich werde daran denken«, sagte Rossokow ernsthaft, und Ardeth musterte ihn einen Augenblick lang, überzeugt, dass er sich auf irgendeine Weise über sie lustig machte, obwohl sein Gesicht ernst blieb. Sie setzte zum Gähnen an, versuchte dann aber, es zu tarnen. »Sie sollten schlafen«, sagte er.
    Sie wollte widersprechen, wollte sagen, sie sei noch nicht müde, gähnte dann aber wieder und gab den Gedanken auf. Es war einfacher, sich einfach hinzulegen und die Augen zu schließen, sich der bis auf die Knochen gehenden Müdigkeit hinzugeben, die sie erfasst hatte. Die Dunkelheit fühlte sich warm an und hüllte sie so sanft ein, dass sie kaum bemerkte, wie sie alle Gedanken aus ihrem Geist hinwegwischte.

10
     
    Ardeth kauerte neben ihrer Pritsche und wusch sich Gesicht und Haare mit Wasser aus dem Krug, das sie von ihrem Frühstück übrig behalten hatte. Sie schlüpfte aus ihrem Hemd und sah an sich herab. Der nächtliche Blutverlust begann mittlerweile Spuren zu hinterlassen: Ihre Arme waren dünner, und ihre Rippen zeichneten sich unterhalb ihrer Brüste ab. Auch eine Methode abzunehmen, dachte sie mit jenem absurden, distanzierten Humor, der ihr jeden Tag leichter fiel.
    Sie bespritzte die Arme mit Wasser. War er inzwischen aufgewacht und beobachtete sie, fragte sie sich, sah aber nicht hinüber, nicht einmal bevor sie nach hinten griff, um ihren BH zu öffnen und ihn dann fallen zu lassen. Es war nicht mehr wichtig, all ihre frühere Scheu und ihre Verlegenheit bezüglich ihres Körpers. Sie hatte das Gefühl, als wären all die Schichten der Konventionen von jener Welt da draußen, all die Regeln, die sie so gehorsam, ja sogar sklavisch befolgt hatte, von ihr abgeschält. Wohin hatte sie auch ihr sorgsamer Konformismus gebracht. In diesen Zustand, halbnackt in einem Verlies kauernd, ihre ganze Welt reduziert auf zwei tägliche Mahlzeiten und das Ritual, einem Vampir ihr Blut anzubieten.
    Ardeth führ sich mit der Hand über Schultern und Brüsten und versuchte, das leichte Jucken zwischen ihren Schulterblättern zu ignorieren, das ihr das Gefühl vermittelte, beobachtet zu werden. Sie hatte nicht gehört, dass der Vampir sich bewegt hatte. Sie glaubte, dass er noch schlief. Vor einer Stunde hatte Wilkens ihn aus seiner Starre geweckt und eine kurze, fast geschäftsmäßige Nahrungsaufnahme überwacht. Als es vorbei war, war Rossokow zu seiner Pritsche zurückgekehrt und wieder in bleiernen Schlaf gesunken.
    Von der Tür am Treppenabsatz war ein Geräusch zu hören, und sie erstarrte, gerade als ihre Hände Wasser aus dem Krug schöpfen wollten. Als die Tür sich zu öffnen begann, packte sie schnell ihr Hemd und zog es sich über, den Rücken zur Zellentür gewandt, während ihre Finger an den Knöpfen fummelten. Ihren BH stopfte sie unter die Matratze, um ihn vor demjenigen zu verbergen, der da gerade die Treppe herunterkam.
    Als sie sich umdrehte, stand Peterson vor ihrer Zellentür und hielt das Tablett mit ihrem Abendessen in der Hand.
    Ardeth trat vor, um das Tablett durch den Schlitz in der Tür entgegenzunehmen, blieb aber stehen, als Peterson die Tür aufschloss und zu ihr in die Zelle trat. »Hier ist Ihr Abendessen«, sagte er und stellte das Tablett dann auf den Boden. Seine Augen ließen sie dabei die ganze Zeit nicht los.
    Er will dich. Der Gedanke durchzuckte sie, und plötzlich wusste sie mit blendender Klarheit, dass dies der Augenblick war, von dem sie nicht geglaubt hatte, dass er kommen würde, die Chance, von der sie befürchtet hatte, dass sie sie nicht erkennen würde.
    »Danke.« Ihr Lächeln fühlte sich wie eine groteske Maske an, aber sie hielt es aufrecht. Sie sah auf das Tablett hinab: Es gab wieder einmal Steak. Zudem lagen ein paar Pillen daneben. »Was sind das für Tabletten?«
    »Vitamine.« Als sie ihn zweifelnd ansah, sagte er grausam: »Hören Sie, es sind Vitamine. Roias meint, Sie müssen mindestens noch ein paar Tage

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