Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
Sie schaltete das Licht aus und führte ihn in die Küche. »Und Sie sind ganz sicher, dass Sie nichts wollen?« Als er ablehnte, sperrte sie die hintere Tür auf und führte ihn auf eine verglaste Veranda. »Wie wäre das?«
»Ein bewundernswerter Kompromiss«, stellte er fest, und sie hob fragend die Brauen. »Ich bin genau genommen nicht im Haus. Für den Fall, dass Ihre Eltern irgendwelche Regeln bezüglich fremder Männer aufgestellt haben.«
»Ich bin erwachsen«, sagte sie steif und würdevoll. »Meine Eltern machen mir keine solchen Vorschriften.« Sie setzte sich auf ein Korbsofa und sah ihm zu, wie er sich neben sie setzte. Die Bäume und Hecken waren hier hinten hochgewachsen und boten Schatten, stellte er fest, und dahinter war ein hoher Holzzaun. Zu jemandem, der sich draußen in einem der umliegenden Gärten befand, würden ihre Stimmen vielleicht als ein Murmeln durchdringen, aber ganz sicher nicht in die Häuser, deren Fenster geschlossen waren, um ihre künstlich erzeugte Kühle drinnen zu halten. Sie hatte die Verandabeleuchtung nicht eingeschaltet. Ein langes Schweigen stellte sich ein, nicht sonderlich gesellig. »Was machen Sie hier? Warum sind Sie mit mir mitgekommen?«, fragte Ellie schließlich.
»Ich dachte, dass ich Ihre Gesellschaft genießen würde. Ich hatte Recht. Und«, er hielt inne, zögerte einen Moment, die Wahrheit als Teil seiner Verführung zu benutzen, »und Sie haben mich an jemanden erinnert.«
»Ihre lang verschwundene große Liebe?« Ein Grinsen klang in ihrer Stimme mit, aber er konnte fast hören, wie es verblasste, so wie er es auch aus ihrem Gesicht gleiten sah. »Ist sie tot?«
»So könnte man sagen. Sie war jung und liebte es zu lernen, so wie Sie. Ich verbringe meine Zeit in der Gesellschaft alter oder verlorener Männer … oder ganz ohne Gesellschaft. Es gibt Zeiten, wo ich die Jugend und das Leben brauche.«
»Ich wusste, dass Sie nicht so alt sind, wie Sie sich geben.«
»Ich bin viel älter, als ich mich gebe. Deshalb brauche ich das, was Sie verkörpern, so sehr.«
»Wollen Sie mich vögeln?« Die Obszönität kam so scharf und schneidend heraus, als wollte sie sie als Verteidigung gegen ihn gebrauchen.
»Ich fürchte, darüber bin ich lange hinaus. Aber ich würde Sie sehr gern küssen.« Sie saß einen Augenblick lang still da und drehte sich dann zu ihm hinüber. »Also gut.« Er fühlte den Atem der Worte ebenso, wie er sie hörte. Er legte eine Hand auf ihr Haar und beugte sich hinüber, um ihren Mund zu berühren. Einen Moment lang waren ihre Lippen unter den seinen angespannt, dann wurden sie weich, und sie erwiderte den Kuss. »Küsse ich wie sie?«, fragte sie, als er seinen Mund hob.
»Nein. Sie küssen wie Sie selbst.«
»Meine Eltern sind im Norden. Sie kommen heute nicht zurück.«
»Ich weiß.« Diesmal wartete ihr Mund auf ihn.
Sie ähnelte Ardeth doch nicht so sehr. Ellies Körper war runder, ihre Brüste voller, ihre Leidenschaft fordernder. Als er seine Zähne in ihren Hals grub, legte er ihr die Hand über den Mund, um ihren Schrei zurückzuhalten, und sie biss ihn in die Handfläche. Ihr Blut war unaussprechlich süß, frisch von ihrer Jugend, und gewürzt mit verbotenen Früchten.
Gesättigt döste er länger neben ihr, als er beabsichtigt hatte. Am Ende zog er vorsichtig den Arm unter ihrem Kopf heraus und setzte sich auf. Sie regte sich, ihre Augen öffneten sich langsam. »Schsch.« Er legte die Hand an ihre Lippen. »Du bist sehr müde. Der Heimweg mit all den Tüten war lang.« Sein Daumen bewegte sich, glätteten, die Falten, die sich auf ihrer Stirn formten. »Du warst so müde, dass du, als du nach Hause kamst, hier herausgingst und einschliefst. Du hattest einen Traum.«
»Aber …«
»Bloß einen Traum, sonst nichts. Einen Traum, den du am Morgen vergessen wirst.«
»Ich will nicht vergessen«, widersetzte sie sich, kämpfte gegen seine einlullende Stimme und die Schläfrigkeit an, die ihren schlaffen Körper zu beherrschen suchte.
»Nun gut. Dann erinnere dich an den Traum. Aber nur an den Traum.«
Sie seufzte und gab nach, sank wieder in die Kissen zurück. Beinahe hätte Rossokow sie liegen lassen, aber dann erinnerte er sich, dass möglicherweise selbst in dieser Umgebung mitternächtliche Räuber unterwegs sein könnten, die nicht so galant waren wie er, und so trug er sie ins Haus und ließ sie auf dem schwarzen Ledersofa weiterschlafen.
Als er sich vorsichtig in sein eigenes Territorium zurückbegab,
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