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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ungebetene Geschenk zwar angenommen, freilich alles danach sofort heimlich wegge worfen. Als fromme Muslima rührte Djamila kein Schweine fleisch an, aber auch Antonio und Lucia, seit Jahren an maurische Küche gewöhnt, ekelten sich vor dem süßlichen Geschmack.
    »Amir ist redlich und fromm«, sagte Antonio. »Und er sorgt sich um seine Familie. Die Zeiten sind hart. Sollten wir uns da als Nachbarn nicht besser unterstützen, als uns gegenseitig zu bespitzeln?«
    Vorsichtig lugte Lucia in die Runde. Manche Gesichter waren schon wieder ablehnend geworden, andere Frauen dagegen schauten offen, ja beinahe freundlich zurück.
    »Ich dulde keinen Unfrieden in meinem Haus«, ergriff endlich Fatima das Wort, und es war unüberhörbar, wie erschöpft sie klang. »Schon gar nicht an diesen stillen Tagen der Trauer, die einzig und allein Malik gehören. Ich danke dir für deine freundliche Gabe, Goldschmied.« Sie rang sich die Spur eines Lächelns ab. »Und ja, richte Djamila aus, dass sie uns hier jederzeit willkommen ist und bleiben kann, solange sie möchte.«
    Lucias Herz machte einen freudigen Sprung.
    Das würde ihr die Gelegenheit geben, Rashid abzufangen, wenn er sich heimlich zum Verbinden ins Haus schleichen würde!
    Den ganzen Heimweg über konnte sie an nichts anderes mehr denken, gab zerstreute Antworten, wenn Antonio sie etwas fragte, und verstummte schließlich ganz.
    »Was ist eigentlich los mit dir?«, fragte er besorgt. »Du bist auf einmal so seltsam. Wirst du vielleicht krank?«
    »Nein, nein«, sagte Lucia hastig und war froh, dass sie nicht mehr Arabisch reden musste. »Mir fehlt nichts. Ich muss nur die ganze Zeit an den Toten denken …« Sie biss sich auf die Zunge und schämte sich für ihre Lüge. Aber hätte sie ihm denn verraten könnten, was ihr Herz bewegte?
    Kopfschüttelnd zog er sich in seine Werkstatt zurück. Kurze Zeit später hörte Lucia, wie Djamila eilig das Haus verließ, als könne sie es kaum noch erwarten, endlich in die Trauergemeinschaft aufgenommen zu werden.
    Jetzt musste Rashid bald von seiner Arbeit in der Alhambra zurückkehren. Sie holte die Leinenbinden aus dem Versteck, zusammen mit dem Rosenwasser, mit dem Djamila die Wunde gesäubert hatte, entzündete zwei Öllampen, rührte die leise vor sich hinsiedende Suppe noch einmal um und vergewisserte sich, dass das Herdfeuer so schnell nicht ausgehen würde. Danach verzog sie sich in eine kleine Nische, schlang die Arme um sich und wartete.
    Langsam senkte sich der Abend über die Stadt. Das Plätschern des Wassers im Innenhof machte sie schläfrig. Als Kind war sie nicht müde geworden, ihre Hände in das kühle Nass zu tauchen, doch der Reiz war längst verflogen.
    Von Rashid noch immer keine Spur.
    Wenn sie Pech hatte, würde der Vater bald zum Essen erscheinen – dann wäre der ganze schöne Plan dahin. Lucia war schon nahe daran, aufzugeben, als sie plötzlich das Knarzen der Haustür hörte.
    »Djamila?«, hörte sie eine Männerstimme auf Arabisch flüstern. »Bist du das?«
    Ihre Hände waren eisig. Das Herz schlug so stark gegen die Rippen, dass sie Angst hatte, er könnte es hören.
    »Nein.« Lucia trat ein paar Schritte nach vorn. »Aber ich.« Trotz der Dämmerung sah sie das jäh aufblitzende Misstrauen in seinen Augen.
    »Ich muss nach Hause«, murmelte Rashid und schaute zu Boden. »Sie werden schon auf mich warten.«
    »Ohne frischen Verband?« Es war heraus, noch bevor sie lange nachgedacht hatte.
    »Was weißt du davon?« Plötzlich war er ihr so nah wie in ihren kühnsten Träumen. Sie roch seinen Atem, sah jedes einzelne der dunklen Haare, die ihm auf Kinn und Wange sprossen und die vollen Lippen nur noch mehr betonten. Ließ er sich einen Bart wachsen, um sich unkenntlich zu machen und somit einfacher untertauchen zu können? Doch der Griff, mit dem er ihr Handgelenk umklammert hielt, war zu hart, um sich in weiteren Spekulationen zu verlieren.
    »Nichts«, sagte sie schnell. »Gar nichts. Lass mich los. Du tust mir weh!«
    »Rede gefälligst!«, forderte er. »Warum hast du uns belauscht?«
    Jetzt blieb ihr nichts als die Wahrheit. »Ein dummer Zufall«, sagte sie. »Ich kam gerade nach Hause, da hab ich euch eben gehört.«
    »Und hattest gewiss nichts Besseres zu tun, als auf der Stelle zu meiner Schwester zu rennen und ihr alles brühwarm zu erzählen! Was weiß Nuri?«
    »Nichts – gar nichts! Und mein Vater ebenso wenig, falls du mich das auch noch fragen willst. Das ist die reine

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