Die Nacht von Granada
den Saphir wieder zurück in die Waagschale. »Geh nach Hause. Ich kann dir nicht helfen.« Sein Kastilisch klang hölzern.
»Aber warum denn nicht?« Jegliche Zuversicht war aus Gaspars Gesicht verschwunden. »Es gibt doch in ganz Granada keinen Besseren als dich!«
»Das war einmal. Es liegt Jahre zurück, dass ich meine Kunst unter Beweis stellen konnte.« Der Maure streckte seine Hände aus, die der ständige Umgang mit Mörtel und Erde derb und rissig gemacht hatte. »So sehen die Pranken eines Fliesenlegers aus – aber nicht die geschmeidigen Finger eines Steinschleifers!«
»Und dein Sohn?« Der Glatzkopf, der sich gleich beim Eintreten das Barett heruntergerissen hatte, schien entschieden, nicht aufzugeben. »Man sagt doch, du hättest ihn selbst unterwiesen. Vielleicht könnte ja er …«
»Lass Rashid aus dem Spiel!« Sein Sohn ging den neugierigen Christen nichts an, und dennoch fühlte Kamal sich plötzlich unwohl, als hätte Gaspar ihn bei etwas Verbotenem ertappt. »Er war noch ein halbes Kind, als die königlichen Truppen die Rote Burg* gestürmt haben. Danach gab es kaum noch Gelegenheit, unser Handwerk auszuüben. Ein Steinschleifer aber braucht vor allem Routine, wenn er etwas Ordentliches zustande bringen soll, sonst rührt er seine Kurbel am besten erst gar nicht erst an.«
Antonio Álvarez hatte bislang schweigend zugehört. Jetzt aber wandte er sich dem Freund zu.
»Wenn du ablehnen willst, bin ich natürlich einverstanden«, sagte er zögernd. »Ich dachte nur …«
»Und wenn es misslingt? Hast du daran schon einmal gedacht?«, rief Kamal. »Dann macht man uns womöglich einen Kopf kürzer – alle beide!«
Gaspar schien bei seinem Ausbruch neue Hoffnung zu schöpfen. So unauffällig wie möglich schob er die Zeichnung mit dem Rosenschliff in Kamals Richtung.
»Für einen Meister deiner Klasse ist so ein Schliff doch keine Schwierigkeit«, sagte er. »Eine Herausforderung, das ja. Aber ich dachte, das würde einen Kamal bin Nabil reizen. Endlich mal wieder zu zeigen, was in ihm steckt!«
»Und den Ruhm dafür steckt dann ein Gaspar Ortíz ein.« Aufsteigender Zorn färbte das schmale Gesicht des Mauren dunkler. Er hatte seinem Sohn Rashid die ausdrucksvollen Augen vererbt, seine aber lagen tiefer in den Höhlen. »Während von uns beiden aus gutem Grund niemand je etwas erfahren darf. Genau so hast du es doch geplant, wenn ich es recht verstanden habe.«
Gaspar zuckte die Schultern. »Für die herrschende Politik bin ich nicht verantwortlich«, sagte er mit bedauernder Miene. »Sie wird höheren Orts entschieden. Und vergiss nicht, dass bei diesem Geschäft ich das größte Risiko trage, denn ich halte ja den Kopf für euch hin. Außerdem würdet ihr dabei ja keineswegs leer ausgehen – ganz im Gegenteil!«
Da war er auf einmal wieder, jener geheimnisvolle dritte Beutel, aus dem Gaspar nun abermals mit großer Geste vier Goldmünzen auf den verschrammten Tisch zählte! Bei ihrem Anblick musste Antonio schlucken, so aufreizend hell glänzten die Doblas im Sonnenlicht.
Und selbst Kamal schien plötzlich nachdenklich zu werden. »Wie bist du überhaupt an diesen Stein gekommen?«, sagte er und musterte Gaspar eingehend.
»Das tut doch hier gar nichts zur Sache«, rief Gaspar. »Du sollst ihn umschleifen, allein darum geht es!«
»Du kennst den Stein, Kamal?«, fragte Antonio überrascht.
»Er stammt aus Boabdils* Thronschatz und hat früher das Prunkdiadem seiner Favoritin geschmückt. Einen Hyazinth dieser Qualität vergisst man nicht, wenn man ihn einmal in der Hand hatte.« Kamal ließ die Wucht seiner Worte nachwirken.
»Ein Juwel aus dem Maurenschatz?«, rief Antonio ungläubig. »Du bist dir ganz sicher?«
Kamal nickte, während Gaspar plötzlich in sich zusammensackte.
»Ihr beide seid noch mein Ruin«, flüsterte er. »Bist du taub, Álvarez? Hab ich dir nicht schon beim letzten Mal eingeschärft, dass gewisse Fragen nicht gestellt werden dürfen? Aber hier hält sich wohl niemand daran?«
»Du hast von einem hohen Kirchenmann gesprochen, für den der Ring bestimmt sei und dessen Namen nicht preisgegeben werden dürfe, daran erinnere mich sehr wohl. Aber wer ist dein Auftraggeber?«, beharrte Antonio, ohne auf den gespielten Schwächeanfall einzugehen. »Heraus damit! Du kommst uns nicht davon, bevor du diesen Namen nicht ausgespuckt hast.«
»Nein – nicht solange noch ein Tropfen Blut in mir fließt!« Schweiß stand auf Gaspars Stirn. Plötzlich sah er wirklich
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