Die Nacht von Granada
weißt du längst.«
»Was du nicht sagst!« Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Seine Augen aber ließen sie nicht mehr los. »Deshalb ist sie wohl heute auch nicht bei dir – wie schade!«
Lucia hielt es nicht für nötig, darauf zu antworten.
»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Willst du mir das nicht erzählen, wo wir uns so unerwartet wiedersehen?«
»Nichts, was dich etwas anginge.« Plötzlich wollte sie wirklich nur noch nach Hause, doch Miguel versperrte ihr den Weg. »Lass mich vorbei. Ich hab es eilig.«
»Willst du denn gar nicht wissen, was aus Fuego geworden ist? Und ich dachte, dir läge etwas an dem kleinen Kerl!«
»Geht es ihm schlechter?«, fragte Lucia erschrocken. »Er ist doch nicht etwa …«
»Nein, nein«, rief Miguel. »Alles läuft gut, die Wunde ist nahezu verheilt und sein Appetit enorm. Genau da freilich liegt unser Problem. Mein Onkel meint nämlich, ein Kater solle allein vom Mäusefangen leben. Außerdem macht es ihn unruhig, wenn Fuego durch die Werkstatt fetzt und alles zum Wackeln bringt. Du siehst, der Kleine braucht dringend ein neues Zuhause.«
»Warum bringst du ihn dann nicht zu mir?«, hörte Lucia sich zu ihrer eigenen Überraschung antworten – und erstarrte.
Djamila, die mit dem Haushalt schon mehr als genug Arbeit hatte, würde alles andere als begeistert darüber sein, und was Vater betraf, so musste sie ihn eigentlich zuvor um Erlaubnis fragen. Aber jetzt war es ohnehin schon zu spät. Ihr Angebot zurücknehmen konnte und wollte sie nicht mehr.
Miguel grinste von einem Ohr zum anderen. »Mit dem allergrößten Vergnügen!«, sagte er. »Davon haben der Kleine und ich seit Tagen geträumt. Allerdings fehlt dazu noch eine Winzigkeit.«
Lucia sah ihn verständnislos an.
»Nun, ich müsste schon wissen, zu wem.« Sein Grinsen schien noch breiter geworden zu sein. »Und wohin.«
Jetzt saß sie in der Falle!
Wenn herauskäme, dass sie und Nuri am Fluss die Kleider getauscht und dabei auch noch mit einem fremden jungen Mann geschäkert hatten …
»Warum sagst du mir nicht lieber, wo ich dich finden kann?«, sagte sie. »Dann komme ich den Kater holen.«
»Würde ich ja, jederzeit, aber mein Onkel sieht es nun mal nicht gern, wenn Fremde zu uns kommen«, sagte er und zuckte bedauernd die Schultern. »In Toledo war er noch ganz anders. Doch seitdem wir wieder in Granada sind, verschließt er sich vor allem und jedem. Ich werde daraus noch nicht ganz schlau. Er wird seine Gründe haben, aber noch hat er mich nicht ins Vertrauen gezogen.«
»Dann bist du sein Gefangener?«, entfuhr es Lucia.
»Nein, ganz so schlimm ist es nun auch nicht«, sagte Miguel. »Könnte es sein, dass du gern ein wenig übertreibst?« Sein zwingender Blick trieb ihr die Röte ins Gesicht. »In die Kirche jedenfalls lässt er mich gehen, wie du siehst. Etwas, was wir beide offenbar gemeinsam haben, denn du besuchst ja auch die Messe in San Nicolás.«
»Ich muss weiter«, murmelte sie entschlossen, rührte sich aber nicht von der Stelle.
»Komm schon, verrat mir, wie du wirklich heißt – wenigstens das!«, bat er.
»Nur, wenn du mir sagst, wo ihr wohnt!«
Er schien mit sich zu kämpfen, dann aber entspannten sich seine Züge wieder.
»Also gut! Ich wette, du kommst ja ohnehin nicht«, sagte er. »Calle San Augustin. Dort, wo jetzt die neue Kathedrale in den Himmel wächst. Ein gelbes Haus. Tag und Nacht verriegelt. Und jetzt du!«
»Lucia«, sagte sie, »und meine Freundin heißt Nuri.«
»Lucia«, wiederholte er gedankenverloren. »Und Nuri. Wie gut, dass beides zu Fuego passt – Licht und Feuer!«
»Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?«, hörte Lucia Nuri auf Arabisch flüstern. »Ich war zweimal umsonst bei euch drüben.«
»Ach, überall und nirgendwo«, antwortete sie und schämte sich schon wieder für ihre Ausflüchte. »Ich hab einfach ein bisschen Bewegung gebraucht.«
»Du hast es gut.« Die Freundin klang traurig. »Kannst gehen, wohin du willst, während ich Tag und Nacht zu Hause herumhocken muss. Seitdem sie diesen Unfug aufgebracht haben, dass ich bald heiraten soll, ist es sogar noch schlimmer geworden.«
»Und hat Siman schon um dich angehalten?«, fragte Lucia so ernst wie möglich.
Jetzt mussten beide kichern.
Dass der picklige Schächtersohn seit Langem in die anmutige Nuri verliebt war, war kein Geheimnis. Dass sie nicht daran dachte, ihn jemals zu erhören, ebenso wenig.
Lucia und Nuri saßen im Mondlicht auf
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