Die Nacht von Granada
nur, wenn einer der Arbeiter einen Fehler gemacht hatte. Dann allerdings stellte sein weit aufgerissener Mund fahlgelbe Zahnstummel zur Schau, von denen ihm einige bei einem Sturz in Volltrunkenheit auch noch abhandengekommen waren.
»Dummkopf!«, rief er, zog sein längliches Schafsgesicht in Falten und schien sich regelrecht daran zu weiden, dass Kamal der schwere Eimer aus der Hand geglitten war und dessen Inhalt sich über den halben Hügel ergossen hatte. »Was für ein unglaublicher Tölpel du doch bist. Jetzt musst du halt noch einmal in die Scheiße fassen.«
Ein Teil der Fliesenleger war vom Myrthenhof*, wo sie defekte Wanddekorationen erneuern sollten, abgezogen worden, um kurzerhand in die Gärten der Generalife* beordert zu werden. Zu den schweißtreibenden Tätigkeiten, die dort auf die Männer warteten, gehörten nicht nur das Ausheben neuer Wasserbecken sowie die Verlegung unterirdischer Leitungen, sondern auch das Abladen einer so gewaltigen Menge Mist für den riesigen Gemüsegarten, als hätte man alle Pferde, Schafe und Ziegen Andalusiens auf einmal ihres Kots beraubt.
Mit zusammengebissenen Zähnen schaufelte Kamal den stinkenden Inhalt zurück in das Gefäß.
»Ich wünschte nur, dieser Emilio würde darin ersticken«, murmelte Rashid neben ihm auf Arabisch, das bärtige Gesicht angeekelt verzogen. »Dann wären wir ihn endlich für immer los.«
»Pass bloß auf, dass er dich nicht hört«, warnte Kamal. »Was sollte das außerdem schon bringen? Wenn Emilio uns nicht länger drangsaliert, dann eben ein anderer. Einen Maurenfreund werden sie uns zuliebe hier wohl kaum einstellen.«
»Wie kannst du nur so leicht klein beigeben?« Unwillkürlich hatte Rashid sich aufgerichtet. »Willst du dir von diesen Christen denn alles gefallen lassen?«
»Mist lässt sich mit reichlich Wasser und Seife wieder abwaschen. Außerdem ist es immer noch besser als dieses eintönige Steineklopfen, das nur zu noch mehr Hornhaut und Schwielen führt.« Dazu hatte Emilio ein paar andere aus ihrer Schicht verdonnert. Der penetrante Lärm ihrer Hämmer drang durch die klare Herbstluft. »Ich versuche, meine Hände zu schonen, so gut es geht. Sie sollen möglichst geschmeidig bleiben – gerade jetzt.«
»Hat das vielleicht damit zu tun, dass du auf einmal wieder ständig mit Antonio zusammensteckst?«
Kamal verkniff sich ein Lächeln. Dass sein Sohn die scharfen Augen eines Falken besaß, denen kaum etwas entging, wusste er schon lange. Rashid kümmerte sich also sehr wohl darum, was sein Vater tat, auch wenn er sich äußerlich nichts anmerken ließ. Antonio und er hatten Gaspar strengstes Stillschweigen geloben müssen. Und dennoch drängte auf einmal alles in ihm, Rashid einzuweihen.
»Vielleicht wird eines Tages ja alles anders«, sagte er nach einer Weile. »Und wir können wieder in unseren alten Beruf zurück – alle beide. Oder wir siedeln uns anderswo an, wo wir es besser haben werden.«
»Was soll das heißen?« Rashids dunkle Brauen stießen über der Nase fast zusammen, so angestrengt schaute er drein. »Hast du vielleicht einen Auftrag, von dem ich nichts weiß? Etwas, das so viel einbringt, dass du dir endlich wieder eine bessere Zukunft vorstellen kannst?«
Kamal zuckte die Achseln und schwieg, bis der bucklige Omar ihm den frisch gefüllten Eimer abgenommen und einen neuen ausgehändigt hatte.
»Schon möglich«, sagte er.
Wie gern hätte er seinem Sohn jetzt erzählt, dass drei Schleifversuche mit Bergkristall missglückt waren, weil es ihm nicht gelungen war, die Kalette* exakt in der Mitte zu platzieren! Doch beim vierten Mal hatte er anders begonnen und alles war gut gegangen. Eine perfekte durchsichtige Rose war entstanden, Vorbild für die blaue Rose, die noch in dem kostbaren Hyazinth schlummerte. Er hatte nichts von seiner Kunstfertigkeit verlernt, das machte ihn froh und stolz zugleich. Er durfte sich nur nicht unter Zeitdruck setzen lassen.
»Kamal?« Emilios scheppernde Stimme holte ihn unsanft in die Gegenwart zurück. Er spie ihm die Worte regelrecht entgegen. »Jetzt hat sich diese Dummbacke von Gadi auch noch die rechte Hand zu Brei gehauen! Du ersetzt ihn. Und beeil dich gefälligst! Soll der Beichtvater der Königin etwa im Schlamm stecken bleiben, sobald er seine neue Residenz verlässt, wenn erst mal die herbstlichen Regenfälle einsetzen?«
»Warte!«, rief Rashid, noch bevor Kamal etwas antworten konnte. »Nimm lieber mich an seiner Stelle!«
»Weshalb?« Misstrauisch
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