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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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hob beschwörend seine Arme. »Erzbischof Talavera hat das Edikt unterzeichnet, das ihnen ausdrücklich Religionsfreiheit garantiert. Zusammen mit Königin Isabella* und König Ferdinand*. Ich habe eine Abschrift des Übernahmevertrags* gesehen. Mit eigenen Augen!«
    »Was aber, wenn sie inzwischen ihre Meinung geändert haben?« So einfach ließ Lucia sich nicht abschütteln. »Vielleicht weil kein Maure freiwillig Christ werden möchte? Djamila hat mir gesagt, dass sie es gar nicht dürfen. Wer Allah verrät, der hat den Tod verdient.«
    »Ich weiß gar nicht, woher du all diese ungehörigen Themen und Fragen hast!«, mischte sich nun Pilar erneut ein. »Einem jungen Mädchen wie dir stehen sie jedenfalls ganz und gar nicht zu. Damit sollen sich Gelehrte und kluge Kirchenleute beschäftigen. Wieso gehst du nicht lieber nach Hause zu deinem Stickrahmen …«
    »Weil ich es von ganzem Herzen hasse, mit einer Nadel sinnlos in einem Stück Stoff herumzustochern!«, fuhr Lucia sie an. »Talent dazu fehlt mir auch. Meine Stickereien sehen immer aus, als wäre ein wild gewordener Taubenschwarm darübergetrippelt!«
    Padre Manolo lächelte Tante und Nichte versöhnlich an. »Deswegen müsst ihr doch nicht in Streit geraten«, sagte er. »Ich mag es, dass Lucia ihren Kopf benützt, denn dazu hat ihn ihr der liebe Gott ja schließlich geschenkt.« Eine kleine Drehung zu Pilar. »Und an Euch gefällt mir, wie sehr das Mädchen Euch am Herzen liegt – beinahe wie eine eigene Tochter!«
    Das fehlte gerade noch, wollte Lucia schon ausrufen, biss sich aber im letzten Augenblick noch auf die Zunge. Tante Pilar würde sehr gekränkt sein, wenn sie erführe, wie viel näher ihr Saida mit ihrer warmen, liebevollen Art war – oder wusste sie das vielleicht bereits?
    Der Ausdruck des Priesters war so freundlich, dass sie einen letzten Vorstoß wagte.
    »Ihr würdet es doch erfahren, wenn solche Zwangstaufen anstünden, Padre?«, musste Lucia sich vergewissern. »Habt Ihr uns nicht erzählt, dass Ihr dem Erzbischof sehr nahesteht?«
    Bescheiden schlug er die Augen nieder. »Wir waren zur gleichen Zeit Novizen im Kloster San Leonardo«, erwiderte er. »Beide erfüllt von glühender Liebe zum heiligen Franziskus und voller Hochachtung gegenüber dem Einsiedler Hieronymus, das verbindet. Dann aber haben unsere Lebenswege sich getrennt. Hernando … ich meine natürlich, Seine Exzellenz … hat wegen seiner vielen Talente und Fähigkeiten die Stufen der Hierarchie verdienterweise sehr rasch erklommen. Ich dagegen habe zwar wie er das Kloster verlassen, bin jedoch bis heute einfacher Priester geblieben, da, wo man mich brauchte.«
    Er las wohl die Enttäuschung in Lucias Gesicht, die auf eine ganz andere Antwort gehofft hatte.
    »Weißt du, dass du die Augen deiner Mutter hast, Mädchen?«, sagte er. »Die gleiche Neugierde und dieser unstillbare Hunger nach Leben! Ja, ich würde es erfahren – darum geht es dir doch, oder? Seine Exzellenz geruht, seinen unwürdigen Bruder vor wichtigen Entscheidungen zurate zu ziehen. Und in diesem Punkt hat er es bislang noch nicht getan. Bist du jetzt zufrieden?«
    Er wandte sich ab, als sei alles gesagt, und verschwand in der Sakristei.
    Um Tante Pilars Redefluss möglichst schnell zu entkommen, murmelte Lucia einen Gruß und machte sich auf den Heimweg. Eigentlich hätte sie sich nun befreit fühlen müssen, doch noch immer hockte ein grauer Alb auf ihrer Brust.
    Die aufgeregten Mauren in der Taverne … Rashids große Gesten … der Streit zwischen dem Wirt und seiner Frau – und das alles nur wegen vager Gerüchte, die keinerlei Grundlage hatten?
    Sie war so tief in Gedanken versunken, dass sie beinahe in einen Mann gerannt wäre.
    »Ja, wen haben wir denn hier? Fatima!« Die fröhliche Männerstimme brachte sie schlagartig in die Gegenwart zurück. Nicht einen Moment hatte er gezögert, in welcher Sprache er sie anreden sollte, als ob er ganz genau wüsste, dass eine echte Andalusiern vor ihm stand. »Heute so ganz anders gewandet? Ich staune. Aber Blau steht dir ausnehmend gut – Kompliment!«
    Verwirrt starrte Lucia ihn an.
    »Und ganz allein unterwegs! Wo hast du denn deine Schwester Consuelo gelassen?«, fuhr Miguel fort. »Trägt sie heute vielleicht deinen Schleier?«
    Was Lucia vorhin gehört hatte, war viel zu bedrückend gewesen, um jetzt auf seine Frotzeleien einzugehen.
    »Ich bin nicht Fatima«, sagte sie brüsk. »Und meine Freundin heißt auch nicht Consuelo. Aber ich denke, das

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