Die Nacht von Granada
ernst.
Der Beichtende heulte auf.
»Das sagt sich so leicht! Ich bin den Pakt eingegangen, versteht Ihr? Jetzt gibt es kein Zurück mehr für mich. Wer sich einmal mit denen einlässt, der ist verloren!«
»Es gibt immer ein Zurück. Man muss nur wollen.«
»Wie denn? Die können mich zermalmen wie eine winzige Laus in der Hand eines Riesen, das müsst Ihr doch besser wissen als ich – Ihr, ein Mann der Kirche! Ich dagegen bin nur ein kleiner Handwerker, der nichts als ein wenig Sicherheit wollte in diesen harten Zeiten …« Er begann zu schluchzen.
»Bekenne, mein Sohn! Befreie dich von deinen Sünden. Dann wird der Allmächtige dir vergeben.«
»Das kann ich nur, wenn Ihr mir helft. Sprecht mich los. Ich kann mit dieser Schuld nicht länger atmen.«
»Nur wer bereut und sich freien Herzens von der Sünde abwendet, kann auch Vergebung erlangen …«
Lucia hörte ein lautes Rumpeln, als wäre etwas Schweres umgestoßen worden, dann öffnete der Glatzköpfige den Vorhang des Beichtstuhls und stürzte davon, als wäre ihm der Leibhaftige auf den Fersen.
Verdutzt blieb sie stehen, bis eine Weile später hinter dem zweiten Vorhang Padre Manolo erschien.
»Lucia! Wie lang bist du denn schon da?«, rief er und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als wolle er etwas wegwischen.
»Gerade erst gekommen.« Sie kreuzte die Finger hinter dem Rücken und bat die Heilige Jungfrau um Verzeihung für diese Notlüge. »Ich wollte Euch fragen, ob Ihr inzwischen Neuigkeiten vom Erzbischof habt.«
»Allerdings.« Der Priester erschien ihr auf merkwürdige Weise abwesend, als wäre sein Geist anderswo. »Seine Exzellenz war äußerst befremdet, als ich ihn darauf angesprochen habe. Doch seine Weitsicht und Güte sind immer wieder erstaunlich. Anstatt ungehalten zu sein, hat Erzbischof Talavera mich zu theologischen Gesprächen mit den wichtigsten Imamen* der Stadt eingeladen. Stell dir vor, er bereitet eine Übersetzung der kompletten Heiligen Schrift ins Arabische vor, um die Mauren besser zu missionieren! Es ist genauso, wie ich dir schon sagte: Mehr denn je zuvor sucht er den Austausch mit den Andersgläubigen – und beileibe nicht die Konfrontation …«
Lucia hing gebannt an seinen Lippen, doch plötzlich unterbrach er sich selbst. »Weshalb interessierst du dich eigentlich so sehr für diese ominösen Zwangstaufen?«
Die Wahrheit konnte sie ihm kaum verraten, doch zum Glück drängte sich ein anderer Gedanke vor, den sie sehr wohl preisgeben durfte.
»Wegen Nuri. Wir sind Mondschwestern, du erinnerst dich? Beinahe so etwas wie Zwillinge. Ich mache mir eben Sorgen um sie.«
»Der kleinen Nuri wird nichts geschehen.« Padre Manolo schien sich wieder gefasst zu haben. »Richte ihr das bitte aus. Und auch, dass sie immer zu mir kommen kann, ob sie nun Christin werden möchte oder nicht.«
»Nuri will keine Christin werden«, sagte Lucia ungedul dig. »Ebenso wenig wie ihre Eltern oder ihr Bruder Rashid.« Allein seinen Namen auszusprechen, trieb ihr das Blut in die Wangen. »Alles, was sie wollen, ist, weiterhin in Frieden in Granada zu leben. Ist das etwa zu viel verlangt?«
Die feinen Züge des Priesters verzogen sich schmerzlich, als ob innerlich ein Kampf in ihm wütete.
»Wir müssen schwierige Zeiten durchstehen«, murmelte er. »Alles, was einst galt, erscheint plötzlich in neuem Licht. Gebe der Allmächtige uns die Kraft, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Ich muss dich jetzt verlassen, mein Kind. Der Kardinal erwartet mich.«
Bevor Lucia sich noch versehen hatte, war er fort.
Sie blieb allein zurück, die Sinne aufgewühlt, eine schwach glimmende Hoffnung im Herzen, dass seine beruhigenden Worte sich bewahrheiten würden.
Es gefiel Antonio ganz und gar nicht, wie blass Kamal aussah und wie stark seine Kiefer mahlten, während er über den Zeichnungen brütete. Zum Schleifen war es längst zu dunkel, so spät war sein Freund von der Alhambra gekommen, hatte zu Hause das Abendessen in Windeseile verschlungen, um sich danach sofort wieder seinen Grübeleien hinzugeben.
»Was ist eigentlich los?«, fragte Antonio sanft auf Arabisch. »Dass dich etwas bedrückt, ist ja nicht zu übersehen. Du hast doch wohl keine Angst vor Gaspar? Er wird bald hier sein, um zu sehen, wie weit du gekommen bist, aber du hast doch etwas vorzuweisen!«
Kamal schüttelte den Kopf.
»Oder hast du schon wieder Schwierigkeiten mit diesem hinterlistigen Emilio?«
»Er behandelt uns noch immer wie Dreck.
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