Die Nacht von Granada
schwatzen, obwohl es natürlich die beste Gelegenheit gewesen wäre, Rashid bei seiner Rückkehr von der Roten Burg zu begeg nen.
Etwas hatte sich zwischen ihnen verändert, seitdem sie seinen Verband gewechselt hatte. Dieser Veränderung Worte zu verleihen, wagte sie noch nicht. Doch sie spürte, dass sie ihm gegenüber nun erst recht befangen war.
Rashids Blicke ruhten länger auf ihr, und manchmal schüttelte er bei ihrem Anblick leicht den Kopf, als verwundere ihn etwas. Wenn er sie im Haus seiner Eltern ansprach, dann freundlich, wenngleich sie manchmal einen fragenden Ton in seiner Stimme mitschwingen hörte. Doch von sich aus suchte er niemals das Gespräch, was Lucia traurig machte, und nichts auf der Welt schien ihn dazu zu drängen, sich irgendwo heimlich mit ihr zu verabreden. Sie hatte sogar für sich behalten, was sie von Padre Manolo erfahren hatte, weil sie nicht genau wusste, wann und wie sie es am besten anbringen könnte. Ein falsches Wort, und Rashid hätte erraten können, dass sie ihm heimlich gefolgt war. Eigentlich durfte sie gar nichts von dem wissen, was ihn so sehr beschäftigte.
Ob er sich noch öfter mit den anderen Männern getroffen hatte? Irgendwo musste er doch sein, wenn er Abend für Abend unauffällig das Haus verließ.
Ein paar Mal hatte sie schon versucht, Nuri unauffällig auszufragen, aber Rashids Schwester wusste, wie Lucia nach wenigen Worten herausgefunden hatte, noch weniger als sie.
»Er hasst seine Arbeit«, sagte Nuri bedauernd. »Um Papa zu schonen, hat er sich sogar zum Steineklopfen einteilen lassen. Sie schuften von früh bis spät, manchmal sogar im Fackellicht. Hast du mal seine Hände gesehen? Mein armer Bruder, der stets so stolz auf seine makellosen Finger war – und das alles nur, damit der Beichtvater der Königin ja keine nassen Füße bekommt!«
Damit schien Nuri recht zu behalten, denn auch als die Dämmerung sich über die Stadt senkte und der Herbsthimmel langsam von Blau in tiefes Grünblau wechselte, gab es, wie Lucia von ihrem geheimen Fensterplatz aus beobachtete, noch immer keine Spur von Rashid.
Die Idee, kleine Gruppen von Conversos* in die Mau renhäuser zu schicken, damit sie ihre einstigen Glaubensgenossen nach draußen trieben, stammte von Lucero selbst und erfüllte ihn mit tiefem Stolz. Denn auf diese Weise ließen sich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Aufgescheuchten hegten zunächst keinen Verdacht und leisteten daher auch kaum Widerstand; hatten sie aber erst einmal verstanden, dass sie einer gemeinen List aufgesessen waren, würde die Kluft zwischen Getauften und Moslems nur umso tiefer werden.
Vor den Häusern erwarteten sie bereits die schwer bewaffneten Rotkappen, die sie umkreisten wie Wolfshunde eine Schafherde und sie in gebrochenem Kastilisch dazu zwangen, im Galopp in Richtung von San Nicolás zu laufen. Sie befolgten exakt den Plan, den Lucero für das gesamte Albaycín ausgearbeitet hatte, und leerten systematisch Gasse um Gasse.
Zu seinem Bedauern mussten sie die Aktion vorzeitig abbrechen, denn das Gotteshaus am Ende der Stufen war zu klein, um noch mehr Menschen zu fassen. Aber auch so war der Zug erstaunlich lang ausgefallen, und das Weinen der Frauen und Kinder schwoll an, je näher sie San Nicolás kamen.
Lucero, hoch zu Ross, wie gewohnt militärisch gekleidet anstatt im kirchlichen Gewand, verfolgte in einiger Entfernung das befremdliche Treiben. Dass Erzbischof Cisneros sich bereits in der Sakristei befand, machte ihn ruhiger. Eine Eilbotschaft hatte den Beichtvater der Königin früher als eigentlich vorgesehen aus Toledo anreisen lassen.
Das Vorhaben einer Zwangstaufe musste trotz strengster Geheimhaltung im Albaycín durchgesickert sein. Es hieß sogar, einige Mauren wollten dagegen aufbegehren und planten einen Aufstand. Ihnen zuvorzukommen, war nun das Gebot der Stunde, auch wenn es Lucero lieber gewesen wäre, erst später zuzuschlagen. Dann wären nämlich mehr Männer bereits von der Arbeit zurückgekehrt. Einige gingen ihm aber auch jetzt schon ins Netz, und wen immer seine Leute auf den Gassen noch zusätzlich einsammeln konnten, der musste daran glauben.
Dazu gehörten auch Kamal und Rashid, auf der Rückkehr von einem anstrengenden Tag auf der Alhambra, der ihnen nichts als Mühen und weiteren Verdruss eingebracht hatte. Bevor sie es sich versahen, waren sie von den Rotkappen umkreist, die ihre Speere und Lanzen auf sie richteten und sie somit zwangen, im Zug zu bleiben.
»Mach
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