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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Eigentlich ist es sogar schlimmer geworden, jetzt, wo der Beichtvater der Königin bald eintreffen wird. Alles soll fertig sein, bevor Erzbischof Cisneros aus Toledo anreist, die Zimmer, die Gärten, sogar das Pflaster! Ich musste bis zum Abend Mist schaufeln und zwischendrin wollte er mich auch noch zum Steineklopfen verdammen. Wäre Rashid nicht für mich eingesprungen, meine Hände sähen vermutlich zum Fürchten aus und ich könnte meine Holzzange kaum noch halten! Aber das ist es nicht …« Kamal verstummte und selbst das kurze Kohlestückchen in seiner Hand tanzte nicht länger leichtfüßig über das Papier.
    »Was ist es dann?« So leicht wollte Antonio sich nicht abschütteln lassen. »Doch nicht etwa Ärger mit Saida? Dann solltest du besser nachgeben! Frauen sind das Salz der Erde. Ohne sie verdirbt alles.«
    »Nein«, erwiderte Kamal. »Der Junge ist es, der mir große Sorgen macht.«
    »Rashid? Aber sagtest du nicht eben, er habe dir geholfen?«
    »Das hat er auch! Aber er hat sich so verändert. Ich erkenne meinen Sohn nicht mehr, Antonio. Was er sagt, was er denkt – alles ist mir fremd. Rashid ist so wild, so radikal, zu allem entschlossen. Ich habe Angst, dass er in falsche Kreise geraten ist. Kreise, die auf Revolte und Zerstörung aus sind. Die sich gegen die neue Herrschaft über die Stadt stemmen, ohne Rücksicht auf Verluste.«
    Der Goldschmied trank einen Schluck Wein und hätte am liebsten dem Freund auch einen Becher davon eingeschenkt, so bedrückt erschien er ihm.
    »Ist das nicht seit jeher das Vorrecht der Jugend?«, sagte er nach einer Weile. »Wir, die Älteren, richten uns notgedrungen ein in dem, was ist. Sie dagegen streiten und kämpfen für ihre Träume. Haben wir es denn so anders gemacht, damals, als alles noch möglich schien? Ich kann Rashid gut verstehen. Für einen jungen Mauren wie ihn ist das Leben zurzeit nicht gerade einfach …«
    »Aber wenn das, was er vorhat, sein Leben womöglich in Gefahr bringt?«, fiel Kamal ihm ins Wort. »Du hast nur eine brave Tochter. Du hast nicht die geringste Ahnung, wie verzweifelt man um einen ungehorsamen Sohn bangen kann!« Er schlug die Hände vor das Gesicht.
    »Soll ich vielleicht einmal mit ihm reden?«, bot Antonio an. »Immerhin bin ich ja für Rashid so etwas wie ein Onkel. Und mein Arabisch habe ich, wie du hörst, noch nicht verlernt.«
    »Früher einmal hätte das vielleicht etwas gebracht.« Kamal ließ die Hände sinken. Im Kerzenlicht wirkten die Schatten unter seinen Augen gespenstisch. »Wie kein anderer hast du ihn zum Lachen bringen können, und er konnte niemals genug davon bekommen, auf deinen Schultern zu reiten. Er hat dich bewundert, zu dir aufgesehen, wollte so sein wie du, das weiß ich. Aber das ist lange vorbei. Jetzt sieht er in dir vor allem den Christen. Jemand, der ihm Böses will. Jemand, der seinen Glauben stehlen möchte.«
    »Ich?«, rief Antonio und schüttelte den Kopf. »Wie kommt er nur auf so etwas? Ich wäre doch der Allerletzte, der …«
    »Das weiß ich, doch ich fürchte, so genau unterscheidet mein Sohn schon lange nicht mehr.« Kamal klang verzweifelt. »Rashid hat mir etwas von Zwangstaufen erzählt, die er und ein paar andere verhindern wollen – um jeden Preis. Versteht du jetzt, was in mir vorgeht?«
    »Allerdings.« Antonios Miene verriet seine Betroffenheit. »Glaubst du, er hat recht?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich weiß nur, sollte er jemals erfahren, dass ich dir davon erzählt habe, wird er auch noch sein restliches Vertrauen in mich verlieren. Du schweigst doch, Antonio? Kann ich mich darauf verlassen?«
    »Ich bin dein Bruder, Kamal«, sagte der Goldschmied. »Spätestens seit jener Mondnacht im August vor sechzehn Jahren, als du mein weinendes Kind zu deiner Frau gebracht hast und sie es an ihre nährende Brust anlegte. Ich hoffe, das hast du nicht vergessen. Ich jedenfalls erinnere mich noch so genau daran, als wäre es gestern gewesen.«
    Kamal erhob sich zittrig. Sie umarmten sich.
    »Was wirst du jetzt tun, Kamal?«, fragte Antonio, als sie sich voneinander gelöst hatten.
    »Die schönste blaue Hyanzinthrose aller Zeiten erschaffen«, erwiderte der Steinschleifer. »Und Allah in jedem meiner Gebete demütig um Klugheit und Geduld anflehen. Möge seine beschützende Hand weiterhin auf uns allen liegen.«
    Da war diese schreckliche Unruhe in ihr, die mit jeder Stunde stärker wurde. Lucia hatte es nicht länger ausgehalten, bei Nuri zu sitzen und Belangloses zu

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