Die Nacht von Granada
Gegner die hölzerne Waffe aus der Hand schlug und sie krachend auf den Boden fiel.
Der Imam klatschte in die Hände. Einige der anderen Männer taten es ihm nach.
»Was ich sehe, erfreut mein Herz«, sagte er. »Ihr werdet weiter zusammen trainieren. So lange, bis auch aus Khaled schließlich ein schlanker, schlagsicherer Stockkämpfer geworden ist.«
»Aber was könnte unser Holz im Ernstfall schon gegen ihr Eisen ausrichten?«, rief Rashid leidenschaftlich. »Die Rotkappen Luceros starren geradezu vor Waffen. Und zögern, wie einige von uns schon am eigenen Leib erfahren mussten, keinen Augenblick, ihre Schwerter und Spieße gegen uns einzusetzen. Wir haben bereits einen Toten zu beklagen – wie viele sollen es noch werden?«
»Je gründlicher ihr trainiert seid, desto größer werden eure Chancen im Kampf von Mann gegen Mann«, erwiderte der Imam. »So war es schon seit jeher. Nicht anders wird es auch im Heiligen Krieg* sein.«
»Sollen wir also weiterhin tatenlos abwarten, bis der Großteil von uns zum Christentum gezwungen wird oder man uns einfach abschlachtet?« Furchtlos bot Rashid ihm erneut die Stirn. »Ist es das, was du uns rätst, weiser Mann?«
»Genug!« Zwischen den dichten weißen Brauen des Geistlichen war eine tiefe Falte erschienen. »Dein Übermut passt zu deiner Jugend, doch ein wahrer Kämpfer weiß, wann er den Mund zu halten und sich den Befehlen Älterer zu fügen hat.«
Der Imam wandte sich der großen Runde zu.
»Ihr fahrt mit euren bisherigen Übungen unter Zegris Anweisungen fort. Allerdings werdet ihr demnächst tatkräftige Unterstützung erhalten, das habe ich vorhin von einem Boten erfahren. Seid also guten Mutes!«
Jetzt ruhten die Blicke aller gespannt auf ihm.
»Aus den unzugänglichen Tälern der Alpujarras stoßen schon bald weitere Kämpfer zu euch, tapfere Krieger, die euch mit Schwertern, Messern und Eisenspießen ausstatten werden. Boabdil, unser geliebter früherer Emir, hat die Söhne Allahs nicht ganz unversorgt unter der Herrschaft der Christen zurückgelassen. Seine engsten Getreuen haben sein eisernes Erbe für uns aufbewahrt.«
Lauter, anhaltender Jubel brach unter den versammelten Männern aus.
»Wann genau wird das sein?«, fragte Rashid leise, der ganz nah neben den Geistlichen getreten war, damit kein anderer seine Frage hören konnte. »Diese Waffen, wir brauchen sie so dringend! Ich weiß, ich sollte nicht mehr fragen, aber ich kann einfach nicht anders. Wenn sie sich nicht beeilen, werden Schnee und Eis ihnen womöglich den Weg abschneiden! Jeder Tag früher wäre also …«
»Hast du meine Medizin schon kennengelernt?«, unterbrach ihn der Imam.
Rashid schüttelte den Kopf. »Dazu war leider noch keine Zeit. So viele andere Dinge gab es zu erledigen!«
»Dann nimm sie dir! Fang am besten gleich heute Nacht damit an.« Ein kleines Lächeln umspielte die schmalen Lippen. »Kann nicht schaden, wenn du dich beizeiten an die Wirkung gewöhnst.«
»Und du hast wirklich richtig gehört?« Lucia mochte nicht glauben, was Nuri da gerade atemlos hervorgestoßen hatte. »Vielleicht hat die Kammer ja doch verzerrt, was sie gesagt haben …«
Nuri ließ sie nicht ausreden. »Jedes einzelne Wort«, versicherte sie mit ernstem Gesicht. »Als ob ich direkt neben ihnen gestanden hätte. Unsere Väter schweben in Lebensgefahr, Lucia! Wenn der blaue Stein nicht wieder auftaucht – was wird man ihnen dann antun?«
Vor lauter Aufregung hatten ihre Hände Fuego so heftig gestreichelt, dass der kleine Kater die Lust an derart ungestümen Liebkosungen verlor. Er schnellte nach vorn und biss blitzschnell zu. Mit einem kurzen Schmerzenslaut zuckte Nuri zusammen und schubste ihn von ihrem Schoß auf den Boden.
Für den roten Kater lediglich die Aufforderung zu weiterem Spiel.
Jetzt begann er ihre Füße mit seinen spitzen Zähnchen zu attackieren, bis sie ihn entnervt hinausjagte.
»Daran mag ich gar nicht denken«, sagte Lucia angstvoll. »Wie konnten sie sich nur darauf einlassen! Wo doch alle Welt weiß, dass Mauren solche Arbeiten nicht mehr …« Sie biss sich auf die Zunge und schwieg.
Erregt war Nuri aufgesprungen. »Genau das ist für meinen Vater ja so schlimm! Früher hat er auf seiner Scheibe die kostbarsten Edelsteine zum Leuchten gebracht – und jeder in Granada hat ihn bewundert und gerne ordentlich dafür bezahlt. Nun hingegen muss er von früh bis spät als Tagelöhner den Rücken krumm machen und verdient doch kaum etwas. Vielleicht war das ja
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