Die Nacht von Granada
ins Gesicht schauen konnte. »Komm mit in die Küche! Ich werde dir etwas davon für deinen Vater einpacken.«
Der Raum war länglich, kahl und stank durchdringend nach Schweiß. Doch hinter der strengen Ausdünstung, die alles überlagerte, hätte eine feine Nase durchaus andere Gerüche ausmachen können – den Duft nach Anis beispielsweise, nach Kardamon, Koriander, Kreuzkümmel und Zimt, denn Rashid und die Söhne Allahs vollzogen ihre Kampfübungen in einem aufgelassenen Lagerhaus, in dem jüdische Kaufleute früher Gewürze gestapelt hatten.
In einer Ecke hieb ein Mann mit bandagierten Fäusten gegen einen Ledersack, der mit Stofffetzen gefüllt war; in der anderen waren zwei Ringer zugange, von einem Schiedsrichter angefeuert, der sie erst zögernd trennte, als aus dem Kampf blutiger Ernst zu werden drohte.
Die meisten jedoch hatten ihre üblichen Laufrunden in der Halle absolviert, unterbrochen von Liegestützen und Kniebeugen, die die Kraft steigern sollten. Allen rann der Schweiß herab und die dünnen Gewänder klebten regelrecht am Leib, so verausgabt hatten sie sich. Nur einem schien die Puste noch immer nicht ausgegangen zu sein – Amir, der offenbar gar nicht genug bekommen konnte.
»Ich denke nicht beim Laufen«, sagte er zu Khaled, der mit ihm das Schicksal der Zwangsbekehrung teilte, obwohl sein Herz noch immer einzig und allein für den Propheten schlug. »Vielleicht ist das ja mein Geheimnis! Meine Beine bewegen sich wie von selbst, was am wenigsten Kraft kostet. So bin ich auch den verdammten Christenhunden entkommen – Allah sei Dank!«
»Weil du kaum mehr als eine Feder wiegst!« Betrübt starrte Khaled auf den stattlichen Bauch, der sich unter seiner Djellaba wölbte. »Das Leben im Untergrund bekommt mir nicht. Bei dem ständigen Herumsitzen wird er von Woche zu Woche immer noch dicker, anstatt endlich zu schrumpfen.«
»Wieso versuchst du es zur Abwechslung nicht einmal mit Stockfechten?«, schlug Rashid vor. »Da übt man gleichzeitig Präzision, Kraft und Konzentration, und man gerät ganz schön außer Atem, das kann ich dir versichern!«
»Mir dir vielleicht?«, sagte Khaled unschlüssig. »Aber du bist doch höchstens halb so alt wie ich!«
»Umso besser!«, rief Rashid. »Dann musst du dich eben noch ein bisschen mehr anstrengen.«
Absichtlich vermied er jegliche Anspielung auf jenen Morgen vor einigen Wochen, an dem er Khaled durch sein beherztes Eingreifen die Flucht ermöglicht und ihm damit das Leben gerettet hatte. Jeder in der Halle wusste ohnehin davon. Der Tod Maliks am gleichen Tag, den sie mittlerweile als eine Art Märtyrer verehrten, tat ein Übriges. Seitdem galt Rashid nicht nur als Held, sondern auch als ausgesuchter Liebling Allahs, dem sogar Ältere sich bereitwillig untergeordnet hätten. Doch Zegri ibn Kamran sorgte dafür, dass es bislang nicht dazu gekommen war.
Einem alten maurischen Kriegergeschlecht entstammend, das am Hofe Boabdils wichtige Ämter innegehabt hatte, war er von Kindesbeinen an gewohnt, zu befehlen. Seit der Vertreibung des letzten maurischen Emirs aus Granada beanspruchte der kräftige Mann die Führungsrolle unter den Mauren, die ihm auch im Untergrund kein anderer streitig machen sollte – erst recht keiner, der viele Jahre jünger als er war.
»Noch sage ich hier, was getan werden soll«, ergriff Zegri nun das Wort. »Stockfechten ist nur etwas für junge Stiere. Nicht aber für alte Bullen, die …«
»Wir werden schon bald jeden einzelnen unserer Männer brauchen, egal, ob jung oder alt«, unterbrach ihn die ruhige Stimme des Imam, der unbemerkt die Halle betreten hatte. »Fangt ruhig an zu kämpfen!«
Rashid starrte dem Weißbart mit der hohen roten Filzkappe überrascht entgegen, dann gehorchte er schweigend. Sein Holzstock zischte durch die Luft. Schließlich knallte er auf Khaleds Waffe.
»Gut gemacht!«, rief Imam Hasan. »Beim Stock ist es die Einschlagenergie, die für den größten Schaden sorgt. Je kleiner die Fläche, auf die diese Energie konzentriert ist, desto stärker der Einschlag. Daran solltet ihr arbeiten. Gleich noch einmal!«
Seine Worte hatten den Ehrgeiz der beiden ungleichen Kämpfer geweckt. Sogar Khaled schien aus seiner anfänglichen Starre erwacht zu sein und bewegte sich schneller und geschmeidiger. Eine ganze Weile gelang es ihm, den Hieben Rashids auszuweichen, dann jedoch knallten die beiden Stöcke wieder aneinander, dieses Mal von Rashids Seite aus mit so großer Kraft, dass er seinem
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