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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Vergnügen, diesen aufregenden Verwandlungsprozess mitverfolgen zu dürfen. Allerdings komme ich heute …«
    »… ungelegen!«, riefen Nuri und Lucia wie aus einem Mund.
    Irritiert schaute Djamila von einer zur anderen.
    »Mein Vater ist tatsächlich krank«, sagte Lucia rasch. »Viel zu krank, um Besuch zu empfangen, auch wenn er das dir gegenüber natürlich niemals zugeben würde. Doch ich als besorgte Tochter muss dich bitten, dass du ihn heute nicht mehr störst – ebenso wenig wie in den nächsten Tagen.«
    Nuri begleitete Lucias Worte mit heftigem Nicken, während Djamila offenbar noch immer nicht wusste, was sie von dem ungewöhnlichen Auftritt zu halten hatte.
    Unschlüssig hatte Miguel sich wieder erhoben.
    »Dann gehe ich am besten nur noch einmal kurz nach nebenan, um mich zu verabschieden«, sagte er. »Damit Seňor Álvarez nicht etwa auf die Idee kommt, ich sei ein ungehobelter …«
    »Nein!«, schrien Lucia und Nuri im Chor.
    »Das ist ganz und gar unnötig.« Lucia redete jetzt so schnell, dass die Worte wie Fallobst aus ihrem Mund zu purzeln schienen. »Mein Vater macht sich nämlich ganz und gar nichts aus aufgesetzten Höflichkeiten. Er war und ist ein Mann des Herzens, jemand, der immer spürt, wie etwas gemeint ist …« Sie hielt inne.
    Himmel, wenn sie nicht aufpasste, redete sie sich noch um Kopf und Kragen!
    Nuri, die ihre Verwirrung zu spüren schien, nickte ihr abermals aufmunternd zu. Sogar Djamilas Haltung wirkte auf einmal weniger verkrampft.
    Miguel machte ein paar unentschlossene Schritte.
    Und wenn er es sich doch noch anders überlegte, nach nebenan lief und darauf beharrte, den Stein zu sehen – den es hier doch gar nicht mehr gab?
    Dazu durfte es nicht kommen. Sie brauchten doch Zeit! Um den Stein wiederzufinden.
    »Warte!«, rief Lucia. »Ausnahmsweise werde ich dich ein kleines Stück begleiten. Ein wenig frische Luft wird mir guttun.« Sie bugsierte den Überraschten weiter in Richtung Tür, öffnete sie und schien erst zufrieden, als Miguel wirklich draußen war.
    Vor der Haustür allerdings blieb sie plötzlich stehen.
    »Geh du schon mal voraus«, sagte Lucia zu Miguel. »Ich hab etwas vergessen und komme gleich nach.«
    Auf Zehenspitzen schlich sie zurück und spähte nach drinnen.
    Nuri hatte zu weinen begonnen, obwohl sie irgendwie erleichtert wirkte, während Djamila sie eher kritisch beäugte.
    »Ich weiß genau, dass ihr seit jeher irgendwelche Geheimnisse habt«, hörte Lucia die junge Maurin sagen. »Und ich habe sie euch stets gelassen, das musst du einräumen. Aber findest du nicht, dass ihr es heute zu bunt getrieben habt? Du scheinst diesen jungen Christen ja auch ganz gut zu kennen. Woher, wenn ich fragen darf? Oder soll ich lieber deine Mutter um Auskunft bitten?«
    Nuri schüttelte den Kopf. »Ich wünschte ja selbst, alles wäre niemals so gekommen. Frag nicht weiter – bitte! Lucia versucht gerade zu retten, was noch zu retten ist!«
    Lucia fühlte sich plötzlich unbehaglich. Sie musste Miguel hinterher. Die Freundin hatte recht. Doch zuerst wollte sie noch Djamilas Antwort hören!
    »Aber dieser fremde junge Mann und sie! Das schickt sich doch nicht, dass sie Seite an Seite durch die Straßen laufen. Als wären sie einander versprochen. Die Leute werden reden. Sie warten doch nur darauf. Dann ist Lucias Ruf ruiniert. Und was wird erst Antonio sagen, wenn er davon erfährt?«
    Nuris Gesicht war tränennass, das konnte Lucia von ihrem Versteck aus gut erkennen.
    »Du sagst ihm einfach nichts, so einfach ist das. Dann weiß er nichts und wird bestimmt auch schneller wieder gesund.«
    »Wieso sollte ich das tun?«, fragte Djamila. »Nenn mir auch nur einen einzigen triftigen Grund!«
    »Weil Miguel goldene Augen hat«, hörte Lucia die Freundin flüstern, während sie selbst schon wieder halb auf dem Sprung war. »Hast du das nicht gesehen?«
    Lucia zog die Tür leise zu und rannte ihm hinterher.
    Nuri, noch immer schluchzend, schüttelte den Kopf.
    Jetzt wurde die dunkle Wolke der Lügen, Halbwahrheiten und Geheimnisse, die über den beiden Häusern lag, mit jedem Tag drückender, zumal der Sonntag und damit auch die drohende Zwangstaufe mit grausamen Schritten näher rückten. Kamal und Antonio hatten wieder und wieder die Geschehnisse zerpflückt, die dem Verschwinden des Steins vorausgegangen waren – ohne auch nur einen einzigen Schritt weitergekommen zu sein. Und in der folgenden Nacht führten dann Kamal und Saida in ihrer Schlafkammer endlose

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