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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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»Aber wo? Habt Ihr vielleicht eine Idee, Seňor Díaz?«
    »Wir gehen noch einmal nach San Nicolás, alle zusammen«, rief Miguel. »Sofort! Und dort werde ich meine Augen aufreißen, bis sie mir aus den Höhlen fallen, das verspreche ich. Immerhin habe ich ihn ja gesehen.«
    Wo kam auf einmal all das Holz her?
    Am Sandtor, noch vor Kurzem Babu’l-Ramla* genannt, stapelte es sich bereits in hohen Stößen, kein gewöhnliches Brennholz, wie die einfachen Leute in Granada es mühsam vor der Stadt zusammenklaubten, sondern dicke, trockene Eichenscheite, die lange brennen würden.
    »In Toledo habe ich so etwas schon einmal gesehen.« Miguel klang plötzlich ängstlich. »Es liegt viele Jahre zurück. Damals brachten sie dort einen Ketzer auf den Scheiterhaufen. Ich war noch ein Junge, doch seine verzweifelten Schreie, während die Flammen an seinen Beinen leckten, habe ich bis heute im Ohr.«
    Lucia wandte den Kopf ab, so rasch sie konnte, und bemerkte, dass Fuego noch immer neben ihr hertrabte, als wollte er ihr auf diesem schweren Weg beistehen. Doch heute war sie nicht einmal in der Stimmung für die Liebesbeweise des verspielten roten Katers, die sie sonst stets gerührt hatten, so sehr wuchs ihre Angst ins Unermessliche.
    War es das, was ihrem Vater und Kamal bevorstand? Und würden sie auch Nuri und Saida solch entsetzlichen Qualen aussetzen?
    Ihr Körper fühlte sich plötzlich an, als bestünde er aus Lehm, so schwer waren ihre Beine geworden. Es kostete sie unendliche Mühe, mit Tante Pilar und Miguel mitzuhalten, die weiterhin schnell und unbeirrt ausschritten, als könnten sie es kaum erwarten, das Ziel zu erreichen. Lucia jedoch wäre am liebsten auf der Stelle umgekehrt, um wieder nach Hause zu laufen, sich aufs Bett zu werfen und ihr Gesicht in den Kissen zu vergraben.
    Die Zeit war so knapp geworden! Nur noch wenige Stunden, die ihnen blieben. Was, wenn auch ihre letzte Hoffnung für immer zunichtegemacht würde?
    Als hätte Pilar ihre Angst gespürt, griff sie plötzlich nach Lucias Hand und drückte sie fest.
    »Glaub an dich«, sagte sie leise. »Ich tue es auch.«
    Entschlossen öffnete Pilar das Kirchenportal und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie Padre Manolo vor dem Altar erblickte. Doch er war nicht allein. Neben ihm, in eine dunkle Djellaba gehüllt, die ihm die geheimnisvolle Aura eines Wüstenkriegers verlieh, stand Rashid.
    Zunächst wurden seine Züge weich, als er Lucia nach ihrer Tante hereinkommen sah, doch der Anblick des schlanken jungen Mannes mit den braunen Locken, der an ihrer Seite schritt, ließ seine Augen erneut wachsam werden und machte seine Lippen hart.
    Sogar Padre Manolo wirkte alles andere als erfreut darüber, dass die drei gemeinsam in seiner Kirche erschienen, gefolgt von Fuego, der sich frech mit durch das Portal geschmuggelt hatte.
    »Ihr kommt heute leider in einem ungünstigen Augenblick«, rief er und seine schmalen Hände begannen abermals aufgeregt zu flattern. »Rashid und ich haben gerade etwas sehr Wichtiges zu besprechen …«
    »Etwas Wichtigeres als vier Menschenleben in höchster Gefahr?« Pilars Stimme klang erstaunlich gelassen. »Das vermag ich kaum zu glauben, Padre!«
    »Ich habe Euch stets in allem unterstützt, so gut ich konnte, Doña Pilar«, sagte er händeringend. »Wer, wenn nicht Ihr und Eure Familie verdiente meine ganze Sorge und Aufmerksamkeit? Doch ich fürchte, meine Möglichkeiten sind leider erschöpft. Kommt wieder nach San Nicolás, wenn Euch nach der Heiligen Messe und den Segnungen der Eucharistie dürstet. Dann werde ich Euch in diesem Gotteshaus voller Freude mit offenen Armen willkommen heißen. Doch heute habe ich leider anderes zu tun.«
    »Bist du etwa der Grund dafür?«, fragte Lucia und schaute Rashid zwingend an. »Es sind schließlich dein Vater, deine Mutter und deine Schwester, die nicht sterben dürfen!«
    »Meinst du, das könnte ich jemals vergessen?« Er sackte leicht in sich zusammen und sah plötzlich so erschöpft aus, dass alles in Lucia sich voller Mitgefühl und Sehnsucht zu einem heißen Knoten zusammenzog. »Deshalb bin ich hier. Um das Schlimmste zu vermeiden.«
    »Du willst sie gewaltsam befreien?« Sie glaubte, genau zu wissen, was er dachte, was er fühlte. Plötzlich gab es nur noch sie und ihn. Alles andere um sie herum hatte Lucia vergessen. »Ist das der Plan, den du gerade mit dem Padre besprichst? Aber das darfst du nicht, Rashid! Du könntest dabei sterben. Und sie

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