Die Nacht von Granada
riechen. Und dein Blut stinkt besonders übel bis zum Himmel. Doch es fließt nicht nur in dir, sondern auch in dieser unverschämten Kreatur, deren Vater sich durch eine Mischehe besudelt hat. Ah, wie inbrünstig ich das alles hasse!«
Seine Hände fuhren nach oben, als wollte er überirdische Hilfe beschwören, sanken dann aber wieder herab und ballten sich zu Fäusten. Sein starrer Blick fixierte Lucia.
»Ihre Mutter war eine Jüdin. Kann man also etwas anderes als Gottlosigkeit und Verschlagenheit von der leiblichen Tochter erwarten? Mitnichten!«
Wut überrollte Lucia wie eine Woge. Danach überkam sie eine kühle, gefährliche Ruhe.
»Ihr habt kein Recht, derart abfällig über meine Mutter zu reden«, rief sie. »Sie hat ihr Leben gegeben, um mir meines zu schenken. Einer wie Ihr dürftet nicht einmal ihren Namen in den Mund nehmen!«
Zwei Männer auf den Bänken waren aufgesprungen. Zuspruch – oder wütender Protest?
Vergeblich bedeutete ihr Antonio von seinem Platz aus zu schweigen, doch Lucia ignorierte seine aufgeregten Gesten, ebenso wie Miguels vor Schreck versteinertes Gesicht und Tante Pilars Schnalzen, das sie stets als Warnung ausstieß, wenn gar nichts anderes mehr helfen wollte. Im Gegenteil, Lucia wurde nur noch lauter.
»Jemand hat den Ring stehlen lassen und sich dazu der Schwäche eines Gaspar Ortiz bedient.«
Lucero schien wie erstarrt.
»Jemand hat ihn im Ziborium von San Nicolás versteckt, um unsere Familien ins Elend zu treiben«, fuhr Lucia fort. »Und ich weiß inzwischen auch, wer das war!«
Jetzt war die Hälfte der Zuschauer erregt aufgesprungen, als könnten sie nicht glauben, was sie da gerade zu hören bekamen. Consuelo fächelte sich heftig Luft zu und verdrehte die Augen. Drohte ein Ohnmachtsanfall, wie er sie bisweilen bei verbotenen Hahnenkämpfen überkam, die sie, wie Lucia wusste, regelmäßig besuchte? Als niemand sich um sie kümmerte, atmete sie gleichmäßiger und ließ sich auf die Bank zurücksinken.
Doch Lucia war noch lange nicht am Ende angelangt, obwohl ihre Finger vor Aufregung eiskalt geworden waren.
»Ihr wart das, Rodriguez Lucero, Ihr, der Inquisitor von Granada – und kein anderer!«, schrie sie. »Den Schlaf habt Ihr uns geraubt und unsere Herzen vor Verzweiflung bluten lassen. Einzig und allein Eure Gemeinheit ist es, die hier zum Himmel stinkt!«
Die Zuschauer begannen wild durcheinanderzureden. Einige ergriffen die Partei des Inquisitors, doch viele stellten sich auf die Seite des mutigen Mädchens.
»Wenn ihr nicht auf der Stelle ruhig seid, lasse ich den Saal räumen.« Luceros Stimme klang merkwürdig angeschlagen, und er vermied es sogar, direkt zu den Menschen zu schauen, die doch auf sein Geheiß hier als Zuschauer erscheinen sollten. »Ich dulde keinerlei Ausschreitungen!«
Wohl oder übel wurden die Leute ruhiger und setzten sich wieder auf die Bänke. Doch ihre Gesten und Blicke verrieten Lucia, dass viele an Lucero zu zweifeln begonnen hatten.
Dieser schien mit sich zu hadern, dann jedoch gab er sich offensichtlich einen Ruck und seine Miene wurde so undurchdringlich wie ganz zu Anfang.
»Lasst die beiden Maurenweiber frei!«
Wer hatte das gerufen? War es wirklich Lucero gewesen? Er stand so nah bei Lucia, dass sie seine säuerliche Ausdünstung riechen konnte.
Zwei Söldner nahmen Saida und Nuri die Fesseln ab und stießen sie grob nach vorn. Miguel fing Nuri im letzten Moment auf, sonst wäre sie gefallen.
»Der Goldschmied kann ebenfalls gehen. Allerdings wird er lernen müssen, dass man den größten Triumph oftmals mit dem tiefsten Leid bezahlen muss.« Lucero schien die Worte förmlich auszuspeien, als verursachten sie ihm unerträgliche Übelkeit.
Trotzdem machte Lucias Herz einen freudigen Sprung, während Antonio finster vor sich hinstarrte, als man seine Fesseln löste.
»An seiner Stelle bleibt die Tochter hier, die auf höchst verdächtige Weise in den Besitz meines Hyazinths gelangt ist«, fuhr Lucero fort. »All die dreisten Lügen und Verleumdungen, die sie hier ausgestoßen hat, werden ihr nichts nützen, denn vielerlei Anzeichen deuten in meinen Augen auf ein Vergehen hin, ja möglicherweise sogar auf ein Verbrechen. Erst eine gründliche Untersuchung wird erweisen, inwieweit die Fäden bei ihr zusammenlaufen. Lucia Álvarez, du bist hiermit verhaftet!«
Sie spürte ihren Körper plötzlich nicht mehr. Auch nicht den jähen Schmerz, als einer der Rotkappen ihr die Arme nach hinten riss und sie mit
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