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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Djamila schluckte mehrmals. »Das ganze Albaycín spricht von nichts anderem. Das Holz, das sie auf der Babu’l-Ramla zusammengetragen haben, und all die konfiszierten arabischen Bücher! In jedem Haus waren sie, haben es von oben bis unten durchwühlt und an Gedrucktem weggeschleppt, was immer sie finden konnten. Sogar Lailas alten Koran, der noch von ihrem geliebten Großvater stammte, haben sie ihr genommen. Womöglich versuchen Rashid und die Söhne Allahs, das Schlimmste zu verhindern.«
    Antonio starrte sie an, als sähe er seine junge Geliebte zum ersten Mal. Sie quittierte es mit einem kleinen Lächeln.
    »Und das alles trägst du einfach so mit dir herum?«, fragte er fassungslos. »In deinem Zustand?«
    »Ich bin zwar schwanger, aber nicht schwachsinnig. Außerdem, scheint mir, gäbe es da noch so einiges, was du an mir entdecken solltest«, lautete Djamilas schlichte Antwort. »Hoffentlich bleibt uns genügend Zeit dafür!«
    »Ich gehe ihn holen.« Pilar war aufgestanden. »Er ist der Einzige, der uns helfen kann.«
    »Aber mein Sohn hält sich doch im Untergrund verborgen«, wandte Saida verzweifelt ein. »Rashid selbst hat mir gesagt, dass es zurzeit keine andere Möglichkeit für ihn gibt.«
    »Im Untergrund? So weit ist das gar nicht.« Pilars Lippen verzogen sich zu einem winzigen Lächeln. »Im alten Judenviertel haben sie sich verschanzt, dort, wo unsere Familie früher gelebt hat, das weiß ich von Lucia. Ausgerechnet das Gewürzlager unseres verstorbenen Vaters dient ihnen als Unterschlupf, was ihm übrigens sehr gefallen würde, wäre er noch am Leben. Ganz in der Nähe des Lagers steht das blaue Haus meiner Kindertage.« Ihre Hände fuhren in die lederne Satteltasche und zogen einen bronzefarbenen Schlüssel heraus. »Das Beste und Sicherste aller Verstecke, sollte es eng für uns werden!«
    »Ich werde dich begleiten.« Miguel stand an ihrer Seite. »Wenn zutrifft, was Djamila befürchtet, könnte es gefährlich für eine Frau werden, die heute ohne männlichen Schutz unterwegs ist.«
    »Du als Christ zu all den Muslimen – und auch noch unbewaffnet?« Pilar schüttelte skeptisch den Kopf. »Das könnte ins Auge gehen!«
    »Ich habe mein scharfes Messer, mit dem ich gut umzugehen weiß. Außerdem ist endloses Warten nicht gerade meine Stärke. Mit einer einzigen Ausnahme. Die ich noch keinen Moment bereut habe.« Seine Augen suchten Nuris Blick, die schließlich errötend den Kopf senkte und in ihren Schoß starrte. »Lasst uns das Schicksal in die eigenen Hände nehmen!«
    »Ihr müsst schnell wiederkommen.« Es klang wie ein Befehl, doch Antonios Stimme zitterte, als er es hervorstieß. Seine Lider zuckten. Seine Zähne schlugen aufeinander, als hätte er jegliche Kontrolle verloren. Mit einem Mal standen ihm die Strapazen der Kerkerhaft unübersehbar ins Gesicht geschrieben. »Und zwar heil und gesund – versprecht mir das!«
    »Das werden wir«, versicherte Pilar und berührte dabei sanft seinen Arm. »Verlass dich darauf, Schwager. Und hoffentlich mit guten Neuigkeiten. Betet inzwischen für uns!«
    »Kamal?«
    Keine Antwort.
    »Abu, hörst du mich?« So hatte Lucia ihn früher immer genannt, damals in glücklichen Kindertagen.
    Alles blieb still.
    Sie kauerte sich auf der harten Pritsche zusammen. Wie sollte er auch antworten können, wo sie doch starke Felswände voneinander trennten?
    Sie hatten ihr zwei zerfranste Decken vor die Füße geschleudert, die widerlich stanken und bestenfalls notdürftig wärmten. Links von ihr musste der Wasserkrug stehen, aus dem sie schon viel zu viel getrunken hatte, um noch bis morgen früh keinen Durst verspüren zu müssen. Den undefinierbaren Brei in der abgeschlagenen Schüssel hatte sie nicht einmal angerührt.
    Als gerade noch ein Lichtstrahl durch ein winziges Gitter nach unten gefallen war, hatte sie sich alles genau eingeprägt, um sich später auch im Dunklen einigermaßen zurechtzufinden. Doch Lucia hatte nicht mit der übermächtigen Schwärze gerechnet, die sich wie ein festes Tuch um sie legte und sie zu ersticken drohte.
    Da waren sie wieder, die Albträume früherer Tage, vor denen sie sich immer so gefürchtet hatte! Die Angst, vom Dunkel verschluckt zu werden, einfach ausgelöscht, als hätte es sie niemals gegeben.
    Das beste Mittel dagegen war stets Nuri gewesen. Nach ihrer weichen Hand zu greifen oder besser noch, sich gleich an sie zu schmiegen und ihren Duft einzuatmen, hatte die Furcht und das Gefühl von Verlassenheit stets

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