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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Deutsch.
      ›Danke‹, erwiderte ich. ›Kann ich mich allein verabschieden.‹
    Der Polizist sah nach der Tür.
      ›Wenn ich weglaufen wollte, hätte ich es seit Tagen tun können‹, sagte ich.
      Er nickte. Ich ging mit Helen in ihr Zimmer. ›Es ist anders, wenn es passiert, als wenn man vorher darüber redet, wie?‹ sagte ich und nahm sie in die Arme.
    Sie machte sich los. ›Wie kann ich dich erreichen?‹
      Wir sprachen das Übliche. Wir hatten zwei Adressen: das Hotel und einen Franzosen. Der Polizist klopfte an die Tür. Ich öffnete sie. ›Nehmen Sie eine Decke mit‹, sagte er. ›Es ist nur für ein bis zwei Tage. Nehmen Sie trotzdem eine Decke mit und etwas zu essen.‹
    ›Ich habe keine Decke.‹
      ›Ich bringe dir eine‹, sagte Helen. Sie packte rasch zusammen, was zu essen da war. ›Ist es nur für ein bis zwei Tage?‹ fragte sie.
      ›Höchstens‹, erklärte der Polizist. ›Feststellung der Personalien und so etwas. C’est la guerre, Madame.‹
    Wir sollten das noch oft hören.«
    Schwarz holte eine Zigarre aus der Tasche und zündete sie an. »Sie kennen das ja selbst - das Warten auf der Polizeistation, die Ankunft anderer Emigranten, die aufgestöbert wurden, als wären sie gefährliche Nazis, die Fahrt im vergitterten Wagen zur Präfektur und das endlose Warten in der Präfektur. Waren Sie auch in der Salle Lepine?«
      Ich nickte. Die Salle Lepine war ein großer Raum in der Präfektur, der gewöhnlich für Lehrfilme für die Polizei benutzt wurde. Er enthielt ein paar hundert Sitze und eine Filmleinwand. »Ich war zwei Tage da«, erwiderte ich. »Nachts wurden wir in einen großen Kohlenkeller geführt, in dem Bänke standen zum Schlafen. Wir sahen morgens aus wie die Schornsteinfeger.«
      »Wir saßen tagelang in den Stuhlreihen«, sagte Schwarz. »Wir waren schmutzig und sahen bald wirklich aus wie die Verbrecher, für die wir gehalten wurden. Georg nahm hier eine späte, unbeabsichtigte Rache; er hatte unsere Adresse damals in der Präfektur erfahren. Jemand hatte dort für ihn nachgeforscht. Georg hatte kein Hehl daraus gemacht, daß er zur Partei gehöre - jetzt wurde ich dafür viermal am Tage verhört, als Nazispion über meine freundschaftlichen Beziehungen zu Georg und zur Nationalsozialistischen Partei. Ich lachte zuerst; es war zu absurd. Doch dann merkte ich, daß auch das Absurde gefährlich werden kann. Daß es in Deutschland so war, hatte die Existenz der Partei dort bewiesen - aber jetzt schien auch Frankreich, das Land der Vernunft, unter dem gemeinsamen Impakt von Bürokratie und Krieg nicht mehr sicher zu sein. Georg hatte, ohne es zu wissen, eine Zeitbombe zurückgelassen; im Krieg als Spion angesehen zu werden, ist kein Spaß.
    Jeden Tag kamen neue Schübe von geängstigten Menschen herein. Noch war seit der Kriegserklärung kein Mensch an der Front getötet worden - es war la drôle de guerre, wie die Witzbolde diese Zeit bezeichneten -, aber schon hing über allem die gespenstische Atmosphäre des verminderten Respekts vor dem Leben und der Individualität, die der Krieg mit sich bringt wie die Pest. Menschen waren nicht mehr Menschen - sie wurden klassifiziert nach militärischen Grundsätzen in Soldaten, Taugliche, Untaugliche und Feinde.
    Ich saß erschöpft am dritten Tag in der Salle Lepine. Ein
    Teil von uns war abgeholt worden. Die übrigen unterhielten sich flüsternd, schliefen oder aßen; wir waren bereits reduziert auf ein Minimum an Existenz. Das störte nicht; verglichen mit einem deutschen Konzentrationslager war es ein komfortables Dasein. Wir erhielten höchstens Tritte oder Püffe, wenn wir nicht schnell genug beim Austreten waren; Macht ist Macht, und ein Polizist ist ein Polizist in jedem Lande der Welt.
      Ich war sehr müde von den Verhören. Auf dem Podium, unter der Leinwand, saßen in einer Reihe, in Uniform, mit gespreizten Beinen und Waffen, unsere Wächter. Der halbdunkle Saal, die schmutzige, leere Filmleinwand, und wir unten - das schien ein trostloses Symbol des Lebens zu sein, in dem man nur Gefangener oder Wächter war und in dem es höchstens von einem selbst abhing, was für einen Film man auf der leeren Leinwand sehen wollte - einen Lehrfilm, eine Komödie oder eine Tragödie. Zum Schluß war doch immer nur wieder die leere Leinwand da, das hungrige Herz und die stupide Macht, die handelte, als wäre sie ewig und wäre das Recht, während längst alle Leinwände wieder leer waren. Es würde immer so

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