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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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zu sein, nur müde. ›Ein neuer Trick! Jede Woche fällt euch was anderes ein!‹
    ›Ich bin hier zum ersten Mal!‹
    ›Dafür bist du schon ganz munter. Geh zum Teufel!‹
      ›Hören Sie doch zu‹, sagte ich auf deutsch. ›Ich möchte, daß Sie einer Frau im Lager Nachricht geben, daß ich hier bin. Ich bin Deutscher. Ich war selbst eingesperrt! In Le Vernet!‹
    ›Sieh einer an‹, sagte die Frau ruhig. ›Deutsch kann er auch. Verfluchter Elsässer! Die Syphilis soll dich fressen, du Lump! Dich und deine verdammten Kollegen, die hier abends an treten. Jedem einzelnen von euch soll der Krebs wegfressen, was ihr uns da hinhaltet! Habt ihr denn überhaupt kein Gefühl, ihr Ferkel? Wißt ihr nicht, was ihr tut? Laßt uns in Ruhe! Laßt uns in Ruhe!‹ sagte sie laut und hart. ›Ihr habt uns eingesperrt, ist das nicht genug? Laßt uns in Ruhe!‹ schrie sie.
      Ich hörte andere kommen und sprang zurück. Die Nacht über blieb ich im Walde. Ich wußte nicht wohin. Ich lag zwischen den Stämmen und sah das Licht ganz erlöschen und dann den Mond heraufkommen über die Landschaft, blaß und wie weißes Gold und schon mit Nebeln und Dunst und der Kühle des Herbstes. Am Morgen ging ich zurück nach unten. Ich fand jemand, der meinen Anzug gegen einen blauen Monteur-Overall tauschte.
      Ich ging zurück zum Lager. Bei der Wache erklärte ich, ich müsse nach dem elektrischen Licht sehen. Mein Französisch war gut genug, so daß man mich einließ, ohne weiter zu fragen. Wer wollte auch schon freiwillig in ein Internierungslager?
      Ich durchstreifte vorsichtig die Lagerstraßen. Die Frauen lebten wie in großen Kisten, die durch Vorhänge abgeteilt waren. Es gab einen unteren und einen oberen Stock in den Baracken. In der Mitte war ein Gang, und zu beiden Seiten hingen Vorhänge. Viele waren offen und man konnte sehen, wie die Gelasse eingerichtet waren. Nur das Nötigste war da in den meisten; aber manche hatte trotzdem mit einem Tuch, ein paar Postkarten, einer Fotografie eine persönliche Note bekommen, so armselig sie auch war. Ich strich durch die halbdunklen Baracken, und die Frauen hörten auf zu arbeiten und sahen mich an. ›Nachrichten?‹ fragte mich eine.
    ›Ja - für jemand, der Helen heißt. Helen Baumann.‹ Die Frau dachte nach. Eine zweite kam hinzu. ›Ist das nicht das Naziluder, das in der Kantine arbeitet?‹ fragte sie. ›Die, die mit dem Arzt rumhurt?‹
    ›Sie ist kein Nazi‹, sagte ich.
      ›Die in der Kantine auch nicht‹, erwiderte die erste Frau. ›Ich glaube, sie heißt Helen.‹
    ›Sind hier Nazis?‹ fragte ich.
      ›Natürlich. Hier ist alles durcheinander. Wo sind die Deutschen jetzt?‹
    ›Ich habe keine gesehen.‹
      ›Es soll eine Militärkommission kommen. Haben Sie etwas davon gehört?‹
    ›Nein.‹
      ›Sie soll kommen, um die Nazis aus den Lagern zu befreien. Aber die Gestapo soll auch kommen. Wissen Sie davon was?‹
    ›Nein.‹
      ›Die Deutschen sollen sich nicht um die unokkupierte Zone kümmern.‹
    ›Das sähe ihnen ähnlich.‹
    ›Sie wissen nichts davon?‹
    ›Gerüchte, sonst nichts.‹
    ›Von wem ist die Nachricht für Helen Baumann?‹
    Ich zögerte. ›Von ihrem Mann. Er ist frei.‹
    Die zweite Frau lachte. ›Der wird staunen!‹
    ›Kann man in die Kantine gehen?‹ fragte ich.
    ›Warum nicht? Sind Sie kein Franzose?‹
    ›Elsässer.‹
      ›Haben Sie Angst?‹ fragte die zweite Frau. ›Warum? Haben Sie was zu verbergen?‹
      ›Gibt es heute noch jemand, der nichts zu verbergen hat?‹
    ›Das können Sie ruhig noch einmal sagen‹, erwiderte die
    erste Frau. Die zweite sagte nichts. Sie musterte mich, als wäre ich ein Spion. Ihr Maiglöckchen-Parfüm umstand sie wie eine Wolke.
    ›Danke‹, sagte ich. ›Wo ist die Kantine?‹
    Die erste Frau beschrieb mir den Weg. Ich ging durch
    das Halbdunkel der Baracke, als hätte ich Spießruten zu laufen. Zu beiden Seiten tauchten Gesichter und forschende Augen auf. Ich fühlte mich, als wäre ich in einen Amazonenstaat geraten. Dann kam die Straße wieder, die Sonne und der müde Geruch der Gefangenschaft, der über jedem Lager steht wie eine graue Lasur.
      Ich war wie blind. Ich hatte nie an Helens Treue oder Untreue gedacht. Es war zu sehr am Rande gewesen, zu unbedeutend; - zu viel war geschehen, und nur am Leben zu bleiben war so wichtig gewesen, daß das andere dagegen kaum existiert hatte. Selbst wenn es mich gequält hätte in Le Vernet, dann wäre es

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