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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Blake. Die Art, wie sie dasteht und die Arme umfasst, die Hände jeweils im Ärmel des anderen Arms, hat etwas Japanisches. Gebeugter Kopf, straßenköterblonde Schnittlauchhaare. Unter ihren übergroßen Klamotten ist sie so dünn, dass es wehtut. Entweder mag sie ihren Körper nicht oder sie muss die abgelegten Sachen anderer tragen.
    Als Blake ins Wohnzimmer geht, halte ich Wolfboy im Flur fest. »Wie viel hast du ihr erzählt?«
    »Ich hab ihr gesagt, dass die Kidds uns was geklaut haben und dass wir es zurückhaben müssen.«
    »Ich fände es besser, wenn wir ihr nichts von der Karte erzählen.«
    »Wieso sollte ich? Das hat doch nichts mit meinem Feuerzeug zu tun.«
    »Ich weiß nicht.« Mit diesem Mädchen ist er schon viel länger befreundet, als er mich kennt, wie soll ich da wissen, was die einander alles erzählen? »Ich wollte es nur sicherheitshalber sagen.«
    Wolfboy sieht mich an, als hätte ich seine Intelligenz ernsthaft beleidigt, und geht ins Wohnzimmer. Blake sitzt auf dem Sofa. Wolfboy deckt noch ein paar Sessel ab. Wir hocken uns im Kreis und warten darauf, dass sie etwas sagt. Sie verdreht die Hände im Schoß. Mit ihren vorgebeugten Schultern, den abgekauten Fingernägeln und den löchrigen Turnschuhen wirkt sie hilflos wie ein Kätzchen, das über einem Eimer Wasser baumelt.
    Schließlich sieht Wolfboy ein, dass Blake nicht so bald den Mund aufmachen wird. »Blake war mal in einer Gang«, erklärt er. »Bei den Kidds. Vor fünf Monaten hat sie ihre Einheit, die Sechs-Siebener, verlassen und ist seitdem untergetaucht. Der Anführer der Sechs-Siebener ist der Gnom.«
    Wolfboy stupst Blake an und sie krempelt die Ärmel ihres Pullovers hoch. Sie streckt die Arme mit den Handflächen nach oben vor. Dicke Striemen sind auf ihren Armen, tiefe rote Täler im Wechsel mit Bergzügen blassglänzenden Narbengewebes. Blake schaut zu Wolfboy, mich hat sie immer noch nicht angesehen.
    Niemand braucht mir zu sagen, von wem diese Wunden stammen. Deswegen also wollte Wolfboy nicht, dass ich mich gegen die Kidds wehre. Ich zwinge mich, noch mal hinzusehen, obwohl mir von dem Anblick ganz übel wird. Damit müssen wir es aufnehmen. Kein Wunder, dass sie so verhuscht ist.
    »Das war keine Strafaktion, als Blake noch in seinerEinheit war«, erklärt Wolfboy. Mir fällt auf, dass er Blakes Wunden nicht ansieht, während er darüber spricht. »Er hat das gemacht, nachdem sie die Gang verlassen hat. Hat sie aufgespürt und dafür gesorgt, dass sie ihre Strafe dafür bekommt, dass sie ihn verlassen hat.«
    Blake krempelt die Ärmel wieder runter. Wenn einer mir oder meiner Mum so etwas antun würde, wäre ich zu allem bereit, um es demjenigen heimzuzahlen. Mike würde ich vielleicht noch mit auf die Liste setzen, wenn ich wüsste, wo er jetzt wohnt. Und meine Oma, wenn sie noch am Leben wäre. Eine ziemlich kurze Liste von Leuten, für die ich töten würde.
    »Was für ein Rad hattest du?«
    Das war genau die richtige Frage. Endlich sieht Blake mich an. Ihre Augen sind von einem verblüffenden Grün. Ich frage mich, ob sie erwartet, dass wir dem Gnom etwas ähnlich Schlimmes antun, wenn wir ihn finden.
    »Ein altes Mongoose, das meinem Onkel gehört hat. Ich hab es immer noch, aber es ist nicht mein Alltagsrad.«
    Wenn sie lächelt, ist sie richtig hübsch. Ich weiß noch nicht recht, ob sie wohl auf Wolfboy steht.
    »Ich hatte mal ein Villain«, erzähle ich.
    Sie nickt anerkennend. »Das ist ein gutes Rad. Aber ich finde die älteren besser. Oder ich bastele sie mir aus verschiedenen Teilen zusammen.«
    Das mit dem Villain war nur halb gelogen. Ich bin wirklich mal auf einem gefahren, aber es gehörte meinem besten Freund Mike. Ich durfte mit dem Rad nie aus seinem Blickfeld verschwinden. Die übrige Zeitmusste ich mich mit so einem grässlichen rosa Ding rumschlagen, das vorn einen Plastikkorb hatte.
    Als die Kidds uns überfallen haben, fiel mir als Erstes auf, dass ihre Räder mit Drei-Speichen-Tuffs und Bärentatzen-Pedalen aufgemotzt sind. Die haben Zeit und Geld in ihre Räder investiert. Ein Mädchen hatte sogar Spielkarten zwischen die Speichen gesteckt, damit die Räder bei Höchstgeschwindigkeit anfangen zu singen. Das haben Mike und ich auch gemacht. Und dann haben wir gespielt, wir wären Motorradrennfahrer.
    »Sechs-Siebener, was bedeutet das?«
    »Da wohnt die Einheit, in Orphanville. Haus sechs, siebter Stock.« Für ein Mädchen hat sie eine tiefe Stimme und sie spricht nie lauter oder leiser. Ich

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