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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Möglichkeit, das Feuerzeug zurückzubekommen, ohne in Orphanville einzubrechen. Aber darüber haben wir gar nicht erst nachgedacht. Wildgirl sagt, ich soll mich von anderen Leuten nicht so plattwalzen lassen. Dabei hat sie genau das gerade mit mir gemacht.
    Wir biegen nach rechts in den Oleander Crescent ein, eine breite Straße mit Zuckerbäckerhäusern, die auf verdorrten Rasenflächen stehen. Sie stehen gleich um die Ecke, aber durch den Blick auf den Fluss sind sie doppelt so viel wert wie mein Haus. Ein leichter Nebel schwebt über dem Boden, die Straße wirkt wie ein verlassenes Filmset. Manchmal sehe ich bei mir in der Gegend wochenlang niemanden auf der Straße.
    Wildgirl fährt jetzt langsamer. Eine einsame Straßenlaterne verlängert die Schatten unserer Fahrräder, sodass sie aussehen wie Spinnen, die in unserem Kielwasser schwimmen.
    »Wer wohnt da?«, fragt Wildgirl in das Schweigen hinein und zeigt auf die Herrenhäuser.
    »Die meisten stehen leer.« Die reichen Leute im Oleander Crescent gehörten zu den Ersten, die Shyness verlassenhaben. Die meisten besaßen andere Häuser, in die sie sich flüchten konnten: Strandhäuser oder Mietobjekte in anderen Vororten.
    »Warum zieht da niemand ein?«
    »Sie sind durch bewaffnete Sicherheitsdienste oder Elektrozäune geschützt. Die Eigentümer hoffen, dass sich die Lage eines Tages ändert und sie zurückkehren können. Verkaufen kann man die Häuser sowieso nicht. Keiner, der halbwegs bei Trost ist, würde hier was kaufen.«
    »Wohnen Paul und Thom in der Nähe?«
    »Was wird das, Frage und Antwort?« Das kommt schärfer raus als beabsichtigt.
    »Wenn es ein Geheimnis ist, brauchst du es mir nicht zu sagen.«
    Ich lenke ein, damit keine Kluft zwischen uns entsteht. »Wenn wir aus dieser Geschichte lebend rauskommen, zeig ich dir ihr Haus. Es lohnt sich.«
    Wildgirl lässt sich nicht auf eine Diskussion darüber ein, ob wir das hier überleben oder nicht. Ihr reicht es, dass die Kidds etwas Unrechtes getan haben. Sie hat so ein fanatisches Glitzern in den Augen. Den Blick kenne ich von Seelenrettern und Sozialarbeitern.
    Wildgirl wird davonkommen. Ich nicht. Selbst wenn sie uns heute Nacht nicht erwischen, muss ich immer damit rechnen, dass die Kidds mich später schnappen.
    Der Oleander Crescent schlängelt sich bergab bis zum Fluss. Ich trete fester in die Pedale. Jetzt geht es steil hinab in die nächste Kurve – hier sind wir als Kinder mit Kettcars runtergedüst. Ich umfasse die Bremsen und stelle mich schon mal darauf ein, am Ende der Talfahrtüber den Bordstein zu springen. Ich warne Wildgirl nicht. Wenn wir das hier durchziehen wollen, muss sie so was packen.
    Härter als gedacht stoße ich auf den Bordstein und fliege fast vom Rad. Ich ziehe am Lenker, um mich auf dem Sattel zu halten. Wir sausen durch einen schmalen Durchgang zwischen zwei Häusern. Mein Hinterrad schert auf dem Kies aus und ich kann knapp einem Zaun ausweichen, während ich versuche, das Eiern zu kontrollieren.
    Am Ende des Durchgangs warte ich auf Wildgirl, aber sie konnte fast die ganze Zeit mithalten. Hinter den Herrenhäusern rechts und links von uns verläuft der unbefestigte Weg, den Blake uns empfohlen hatte. Er führt die ganze Zeit bis nach Orphanville am Fluss entlang.
    »Scheiße!« Wildgirl setzt einen Fuß auf den Boden, um das Gleichgewicht zu halten. Ihre Schultern heben und senken sich. Mit der Mütze fächelt sie sich Luft zu. »Ich bin echt unfit.«
    »Du fährst doch gut.« Bei dem Bordstein hat sie nicht gezögert und sie versteht was von Fahrrädern. Ich hätte nicht gedacht, dass Blake und sie sich darüber verbrüdern würden. Ich fühle mich auf meinem immer noch etwas fremd. Der Lenker ist zu niedrig und die Pedale sind lächerlich klein. Zu Fuß wäre ich unwesentlich langsamer.
    »Es sieht uns doch keiner, oder?«, fragt Wildgirl.
    »Nicht wenn wir uns geschickt anstellen.«
    »Nein, ich meine, es sieht mich doch keiner in diesen Klamotten, oder?« Angewidert betrachtet sie ihr Outfit.
    Ich fasse es nicht, dass das ihre Hauptsorge ist, bevorwir uns in feindliches Gebiet begeben. Der schwarze Rolli kann ihren sagenhaften Körper nicht verbergen, aber ich bin nicht in der Stimmung für Komplimente. »Du siehst okay aus. Glaub ich jedenfalls.«
    Sie zeigt mir den Stinkefinger. Hab ich wohl verdient.
    »Dann fahren wir diesen Weg jetzt bis zum Ende?«
    Unten am Fluss war ich nicht mehr, seit ich die Schule abgebrochen habe. Früher war das Ufer dicht

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