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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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richtig.
    »Wir verfolgen sie.«
    »Auf keinen Fall tun wir das.«
    Ich muss ihm unbedingt meine Sicht der Dinge beibringen, aber ich merke, dass ich größere Chancen habe, wenn ich nicht so viel Druck mache. Ich zwinge mich, leiser zu sprechen. »Man kann sich nicht einfach plattwalzen lassen. Manchmal muss man sich wehren.«
    »Es ist nur ein Feuerzeug«, sagt er wieder.
    Ja, es ist nur ein Feuerzeug, genau wie ach, war doch nur ein Foto . Aber ich lasse es ihm durchgehen. Wenn er mir nicht von Gram erzählen will, werde ich ihn nicht dazu drängen. Doch es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass er sich nicht länger zum Prügelknaben macht. Ich kann förmlich sehen, wie er sich abschottet, wie er die Türen verriegelt und die Vorhänge zuzieht, um mich auszuschließen. Das lasse ich nicht zu.
    »Wir dürfen nicht so leben, als ob wir Angst hätten. Angst zu haben ist reine Verschwendung.«
    »Du hast keine Ahnung, worauf du dich da einlässt.«
    »Ich verfolge sie, ob du mitkommst oder nicht, also entscheide dich.«
    Ich nehme meine Tasche und die Ukulele und hieve mich vom Sofa. Aber in diesem Traumnebel finde ich den Ausgang nicht mehr und bleibe nach ein paar verwirrten Schritten stehen. Auch wenn er mich vielleicht nicht küssen will, ganz bestimmt will er nicht, dass ich allein in Shyness herumlaufe.
    »Warte.«
    Ich spüre seine Hand auf meiner Schulter. Er sieht nicht das Lächeln, das sich auf meinem Gesicht breitmacht. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn er mir nicht gefolgt wäre.
    Als ich meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle habe, drehe ich mich um. Wolfboy sieht richtig besorgt aus, auf eine Art, die ich nicht verstehe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er vor den Kidds solche Angst hat.
    »Das werden wir noch bereuen, ist dir das klar?«, sagt er.
    Falsch. Ich würde es bereuen, wenn ich nicht handeln würde. Bevor er es sich anders überlegen kann, ziehe ich ihn aus dem Land Nod fort.
    Im Little Death ist es jetzt noch voller als vorhin. Wir kämpfen uns durch den Menschenstrom in dem engen Tunnel. Ich greife nach Wolfboys Hand und versuche nah bei ihm zu bleiben, aber er hält meine Finger nur ein paar Sekunden lang fest, dann lässt er sie wieder los. Wir gehen zu der Treppe vor der Theke und prüfen die Tanzfläche. Der blondgefärbte Schopf des Gnoms ist nicht unter den Tanzenden.
    In allen Räumen suchen wir die dunkelsten Winkel ab. Paul ist weg. Thom ist weg. Rick Markov ist weg. Und von dem Gnom keine Spur.
    Wolfboy wohnt in einem zweistöckigen cremefarbenen Haus. Ich sehe auf den ersten Blick, dass das hier mal eine bessere Gegend war. Großzügige Villen stehen auf großen Grundstücken, ihr einstiger Luxus lässt sich trotz Schmutz und Baufälligkeit noch erkennen. Doppelgaragen. Satellitenschüsseln. Riesige Schwimmbecken. Ich hatte ein besetztes Lagerhaus erwartet oder ein deprimierendes Apartment, vielleicht auch nur einen Schlafsack unter einer Brücke. Jetzt kommt mir das lächerlich vor.
    Wolfboy wirkt fehl am Platze, als er vor seiner eigenen Haustür mit dem Schlüssel herumfummelt und mich dann mit einer ungelenken Handbewegung ins Haus winkt. Während ich mich an ihm vorbeizwänge, habe ich ein ängstliches Kitzeln im Bauch. Meine Mutter hat mir immer eingeschärft, mich nie in die Höhledes Löwen zu begeben. Ach was, damit hat sie die Wohnung eines fremden Mannes gemeint, oder? Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass sie das nicht gut finden würde.
    Das Erdgeschoss ist dunkel, still und leer. Von einem langen Flur gehen links und rechts die Zimmer ab. Wolfboy führt mich ins Wohnzimmer, wo er eine altmodische Petroleumlampe anzündet. Das Zimmer ist geräumig, mit glänzenden Dielen, zitronengelben Wänden und schweren Samtvorhängen. Über einige Möbel in der hinteren Ecke sind Laken drapiert. An den Wänden sind verblichene Rechtecke, wo früher Gemälde oder Fotos gehangen haben müssen. Alles ist totenstill, selbst die Staubpartikel scheinen in der Luft zu hängen.
    »Ich hol uns was zu trinken.« Wolfboy bleibt unschlüssig in der Tür stehen, als wollte er noch was sagen, aber dann geht er.
    Ich schaue mich im Zimmer um und fahnde nach Details. Es gibt nicht viel zu gucken. Kein Nippes auf dem Kaminsims, keine Zeitschriften auf dem Couchtisch, keine Kissen auf dem Sofa. Trotzdem sieht man, dass hier mal eine Familie gewohnt hat.
    Ich höre, wie Wolfboy im hinteren Teil des Hauses, vermutlich in der Küche, Schränke auf- und zumacht. Er redet

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