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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Es fühlt sich so an, als wären die Stäbe einzementiert.
    »Nein. Aber gut zu wissen, dass wir knapp unter der Erde sind. Komm, wir suchen nach einem anderen Ausgang in der Nähe.«
    »Sind wir weit genug weg von Orphanville?«
    »Ja. Ich hab das Gefühl, dass wir in der Nähe des Ahnenparks sind.«
    Wir laufen weiter, durch einen runden Tunnel hindurch.
    »Wonach sollen wir suchen?«
    »Ich weiß nicht genau«, antworte ich. »Nach noch so einem Gitter oder einer Leiter oder einem Kanalschacht.«
    Ich gehe ein paar Schritte zurück und spähe in den Tunnel. Er ist pechschwarz und durchdrungen von feuchter Luft.
    »Meinst du, in dieser Richtung ist irgendwas?«
    Ich zucke die Achseln. Ich habe so ein Gefühl, mehr nicht.
    »Hey«, sagt Wildgirl. »Lass mich mal an deinen Rucksack. Ich hab eine Lampe an meinem Schlüsselbund, das hatte ich ganz vergessen.«
    Ich drehe ihr den Rücken zu und sie zieht am Reißverschluss. Jetzt ist es viel heller.
    »Gut, dass du den Rucksack gerettet hast. Wenn du meine ganzen Sachen verloren hättest, hätte ich dir einen Arschtritt verpassen müssen.«
    Das hätte mir wahrscheinlich nichts ausgemacht, lieber allerdings hätte ich noch einen Kuss. Es ist das ersteMal seit meiner Verwandlung, dass ich jemandem so nah war. Das Küssen war schöner, als ich es in Erinnerung hatte, aber irgendetwas sagt mir, dass ich vorsichtig damit umgehen muss. So habe ich noch nie empfunden.
    Das Lämpchen an Wildgirls Schlüsselanhänger hat einen erstaunlich starken Strahl. Während sie durch den Tunnel geht, leuchtet sie mal hierhin, mal dorthin. Nach ein paar Minuten an derselben Stelle ruft sie: »Wolfie, guck dir das hier mal an!«
    Sie leuchtet auf die Tunnelwand. Dort befindet sich ein kleiner Raum. An der hinteren Wand des Raums ist eine rostige Wendeltreppe.
    Es ist kaum zu erkennen, wohin die Treppe führt, aber weit kann es nicht sein. Wildgirl hält den Schlüsselbund so hoch sie kann, doch die Finsternis verschluckt jegliches Licht. Die Wendeltreppe ist so schmal, das wir hintereinander werden gehen müssen.
    »Und wenn die nirgendwo hinführt?«
    »Das werden wir ja sehen. Ich geh voran.« Sie nimmt meinen Rucksack und schon bald sehe ich nur noch ihre Beine. Jetzt muss ich im Dunkeln hochgehen.
    Ich strecke eine Hand aus, um mich zu orientieren. Die Wände schmiegen sich dicht um die Treppe, als würden wir in einen Schornstein steigen. Ich kann die Arme und Beine nicht richtig strecken und die kleinen Stufen ähneln eher Leitersprossen. Es ist so schwarz, dass ich buchstäblich die Hand nicht vor Augen sehe.
    Nach ein paar Metern bin ich verwirrt. Wie kann es so weit hinaufgehen, wo wir doch nur knapp unter der Erde sind?
    »Jetzt bin ich ganz oben.« Wildgirls Stimme klingt erstickt.
    »Kommen wir da raus?«
    Ich höre, wie Wildgirl mit meinem Rucksack hantiert. »Du hast doch einen Schraubenschlüssel da drin, oder?«
    »Warum?«
    »Es ist abgeschlossen.«
    Ich höre ein dumpfes Scheppern, als Wildgirl mit dem Schraubenschlüssel gegen das Schloss schlägt. Sie flucht und schlägt kräftiger. »Ich hab’s!«
    Ihre Füße verschwinden. Ich höre sie über mir lachen, doch das Geräusch verflüchtigt sich auf seltsame Weise, als würde sie nach oben fallen.
    Erst strömt Luft, dann Mondlicht ins Treppenhaus. Ich sehe ein viereckiges Stück Sternenhimmel über mir, dann falle ich halb, halb krieche ich durch die Öffnung. Der Boden ist weiter entfernt, als ich dachte, und ich stolpere, die Arme schützend über dem Kopf.
    Als ich mich beruhigt habe, hockt Wildgirl zu meinen Füßen, lachend zeigt sie auf etwas. Ich schaue mich um.
    Wir befinden uns mitten in einem Becken ohne Wasser. Hinter mir ist ein Springbrunnen, der mit Putten und einem Pferd verziert ist. Den Springbrunnen erkenne ich als den im Park, aber ich habe nie bemerkt, dass einen Meter über der Erde seitlich ein Türchen eingelassen ist.
    Als Wildgirl sich lange genug über mich lustig gemacht hat, lasse ich sie auf meine Schultern steigen, während ich am steinernen Rand des Beckens stehe. Nur ein paar der Hochhäuser von Orphanville sind überden Bäumen zu sehen, aber es sieht so aus, als wären alle Lichter an. Unsere Streiche sind nicht unbemerkt geblieben.
    Vorsichtig lasse ich Wildgirl wieder hinunter. Trotz Jeans und Pulli fängt sie an zu zittern. Mein Atem schwebt in Wölkchen in der Luft. Es ist spät. Kurz vorm Morgengrauen ist die Nacht am kältesten, das gilt selbst hier, wo die Sonne sich nicht über

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