Die Nacht von Sinos
hatte nur ganz leicht Schlagseite, befand sich aber ansonsten in einem bemerkenswert guten Zustand. Das Rohr der Flak auf dem Vorderdeck war noch immer nach oben gerichtet. Daneben stand Ciasim. Er hob die Hand und winkte mich herbei. Ich schwamm näher heran.
Auf Reling und Luftschächten wucherten schwarze Schlinggewächse, und stellenweise erkannte ich den gefährlichen »Hundezahn‹, rasiermesserscharfe Muscheln, die nicht nur schneiden wie Gift, sondern tatsächlich welches enthalten. Wer sich schneidet, liegt bestimmt eine Woche auf der Nase.
Kompaß und Ruder waren mit einer dicken Schicht von Muscheln bewachsen. Ich tauchte durch eine offene Luke hindurch und kam mir vor wie in einem Kirchenschiff. Durch ausgezackte Löcher im Deck drang ein wenig Licht ein, und ich hatte den Eindruck, daß der Kahn mehrere Granattreffer bekommen haben mußte, bevor er sank.
Im Dunkeln suchte ich einen Weg zum Hauptladeraum. Hier wurde es schon schwieriger. An dieser Stelle hatte das Schiff den Volltreffer abbekommen. Verbogene Träger und krumme Decksplatten hingen hier durcheinander. Alles war mit seltsamen Meerespflanzen überzogen.
Ich schob mich näher heran und wollte mich an einer eisernen Sparre festhalten. Großer Gott, sie bewegte sich! Aber nicht nur das, alles ringsum begann zu zittern und einen kaum hörbaren Seufzer auszustoßen, der wie ein Echo durch das Wasser drang.
Mir drehte sich der Magen um. Todesangst packte mich. Ich tauchte durch die Luke nach oben und schwamm weiter, so schnell ich konnte. Ciasim überließ ich seinem Schicksal.
An den Druckausgleich brauchte ich nicht zu denken, so lange war ich nicht unten gewesen. Ein paar Sekunden später war ich wieder im hellen, sauberen Tageslicht und tastete nach der Leiter. Yassi reichte mir die Hand. Ich riß mir die Maske ab und spuckte das Gummimundstück aus.
»Was ist mit meinem Vater?« fragte er.
»Er ist noch unten, wird aber auch gleich 'raufkommen.«
Morgan war bei den beiden Burschen. Sein Gesicht wirkte noch grauer. Ich beachtete ihn nicht, sondern stieg über die Reling hinüber auf die ›Gentle Jane‹ und ging nach unten. Als ich seine Schritte auf der Treppe hörte, hatte ich bereits aus meinem Geheimvorrat unter meinem Bettkasten eine Flasche Jameson geholt und mein zweites Glas in der Hand.
Er stand da und sah mich nur an. Ich schob ihm die Flasche zu. »Schön, ich hab' sie vor dir versteckt. Los, bedien' dich.«
»War es schlimm, Jack?«
»Wie wenn Weihnachten auf den Neujahrstag fällt, nur nicht so feierlich.«
Ich öffnete den Reißverschluß meines Tauchanzugs, rieb mich trocken, zog Hose und Pullover an und ignorierte seinen besorgten Blick. Dann goß ich mir ein neues Glas ein und ging hinauf.
Ciasim stand drüben auf der ›Seytan‹, hatte seinen Helm abgeschraubt bekommen und zündete sich gerade eine Zigarette an. Er winkte mir zu.
»He, Jack, komm rüber. Laß uns reden.«
Ich lächelte tapfer und raunte Morgan zu: »Fertigmachen zum Ablegen, ich hab' die Schnauze voll.«
Dann stieg ich hinüber auf die ›Seytan‹ und lehnte mich an den Mast.
»Hast du es gesehen, Jack?« fragte Ciasim. »Verstehst du nun? Machst du mit?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich würde es mir an deiner Stelle noch einmal überlegen. Ich dachte schon, das ganze verdammte Ding da unten würde über mir zusammenbrechen.«
Er runzelte die Stirn. »Mir ist nichts Gefährliches aufgefallen.«
Die Unterstellung paßte mir nicht, aber ich holte tief Luft und versuchte es mit vernünftigen Argumenten. »In einem Punkt hattest du recht: die Tiefe von über vierzig Metern stimmt. Das bedeutet, daß du bei deinem Taucheranzug nach fünfundvierzig Minuten Arbeit in zwölf Meter Tiefe vier Minuten warten mußt, weitere sechsundzwanzig Minuten in sieben Meter Tiefe, und noch einmal sechsundzwanzig Minuten in drei Meter Tiefe. Also bei fünfundvierzig Minuten Arbeit eine Dekompressionszeit von sechsundfünfzig Minuten. Und öfter als zweimal täglich darfst du nicht tauchen.«
Jetzt wurde er böse. »Warum redest du dauernd wie ein Weib, das vor jedem Schatten Angst hat? Immer dieser Quatsch mit dem Druckausgleich. Immer kommst du mir mit deinen Tauchertabellen.«
»Ciasim, du wirst dich umbringen, das steht fest«, sagte ich. »Da unten brauchst du ein ganzes Team von Tauchern. Wenn es sich lohnen soll, mindestens ein halbes Dutzend, und auch dann kann es noch Zeitverschwendung sein.«
Seine Augen sprühten inzwischen Funken. »Alles nur
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