Die Nacht von Sinos
die Paddel eingebüßt und mußten das Schlauchboot mit den Händen und einem Stück Treibholz dirigieren. In der Morgendämmerung sichtete uns ein Motorboot und fischte uns aus dem Wasser.
Die Nachricht von der geglückten Rettung wurde sofort dem kommandierenden General zu seinem Zerstörer hinübergefunkt. Der Bericht über den Zustand des Generals hatte in den nächsten Minuten noch ein folgenschweres Nachspiel.
Ich trat aufs Deck hinaus und sah Dawson in einem Wettermantel, den ihm jemand geliehen hatte, an der Reling stehen.
»Wie geht's Ihnen?« fragte ich.
»Auftrag ausgeführt, Sir«, sagte er.
Vermutlich glaubte er, daß ich eine solche Bemerkung von ihm erwartete. Er versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht,und er begann, hilflos wie ein Kind, zu weinen. Ich legte ihm den Arm um die Schultern und blieb bei ihm.
Die Zerstörer fuhren in Kiellinie auf und schössen mit ihren schweren Geschützen die Insel Pelos in Stücke.
8
»Sergeant Richard Emmett Dawson wurde im Januar 1956 von einem Heckenschützen der EOKA in den Straßen Nikosias hinterrücks erschossen, als er mit seiner Frau einkaufen ging.«
Wenn ein Mensch ertrinkt, kann er innerhalb weniger Sekunden viele Jahre noch einmal durchleben. Es kostete mich einige Anstrengung, in die Gegenwart zurückzukehren. Die Gegenwart, das war der Luxussalon an Bord der ›Firebird‹, das waren Sarah Hamilton und Aleko.
Ich drehte mich zu ihr um und sagte: »Na schön, ich höre, was soll das alles?«
»Er möchte, daß Sie ein Dakapo geben. Diesmal für Geld.«
»Fünfundzwanzigtausend Dollar, Captain Savage«, sagte Aleko ruhig. »Auf ein Konto in Genf.«
Das alles wurde immer mehr zu einem Alptraum. Er holte die Flasche Jameson hervor und hob fragend eine Augenbraue. Ich schob ihm das Glas hin.
»Ich brauch' jetzt einen Schluck«, murmelte ich.
»Darf ich vielleicht mit der Frage beginnen, wie Sie zu dem gegenwärtigen Regime in Griechenland stehen, Captain Savage?«
Er nannte mich jetzt nur noch Captain. Wir saßen in einem kleineren Raum neben dem Salon, der mit einem alten geschnitzten Schreibtisch, einem Aktenschrank und einem Telefon als Büro eingerichtet war.
»Ich habe keine Meinung«, sagte ich. »Politik interessiert mich nicht. Oder können Sie sich nicht vorstellen, daß ich davon die Nase voll habe? Glauben Sie mir, ich hab' Schlimmeres erlebt als die jetzige Lage in Griechenland.«
»Es gibt Tausende politischer Gefangener, das Schulsystem wird zur Verführung der Kinder benutzt, die Linke ist beinahe ausgerottet. Hören Sie, Captain Savage, klingt das vielleicht nach Demokratie?«
»So einfach liegen die Dinge nicht«, sagte ich. »Sie wissen ja, daß ich während des Bürgerkrieges hier war. Da habe ich Dinge erlebt, die das Volk nicht so leicht vergißt.«
»Dann sind Sie etwa ein Faschist aus Überzeugung?«
»Ich bin John Henry Savage und nichts weiter«, sagte ich. »Ich ergreife nicht Partei.«
Wie immer tat er genau das, was ich am wenigsten erwartet hatte. Er lächelte und wirkte sehr zufrieden. »Ausgezeichnet, Captain Savage. Ein erstklassiger Söldner, der seinen Job versteht, ist zehnmal soviel wert wie ein Idealist.«
Sarah lag ausgestreckt in dem Ledersessel in der Ecke, hatte den Kopf zurückgelegt und rauchte mit geschlossenen Augen eine Zigarette. Sie war entspannt, verfolgte aber trotzdem aufmerksam unser Gespräch. Für den Bruchteil einer Sekunde leuchteten ihre Augen unter den dunklen Wimpern auf. Wir verstanden uns.
Als ich mich umdrehte, beobachtete Aleko mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck.
»Ich glaube, Sie sind der erste revolutionäre Millionär, der nur begegnet«, sagte ich. »Für wen arbeiten Sie eigentlich? Die ›Demokratische Front‹?«
»Die ›Demokratische Front‹ ist nicht sehr erfolgreich. Auch die Patrioten erreichen nicht viel. Nein, ich repräsentiere eine mächtigere Gruppe. Ihr gehören viele Männer mit bekannten Namen an, Industrielle, Reeder, Politiker, Künstler. Männer, die eine führende Stellung innehaben. Sie alle hat die gemeinsame Sache zusammengeführt. Der Kampf um die Demokratie in meinem unglücklichen Vaterland.«
Das waren alles leere Worte, wie man sie von beiden Seiten zu hören bekommt, während das arme Volk dazwischen zermalmt wird.
»Eine interessante Liste«, sagte ich. »Wenn es sie gäbe, würde sich der griechische Geheimdienst dafür interessieren.«
Er richtete sich auf und wurde plötzlich blaß. »Genauso ist es, Captain
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